29 Feb

Aussortieren?

„Jedes Mal, wenn wir dort sind, verdreht sie die Augen über mein Kind.“

„Ständig bekomme ich von meinen Freunden zu hören, unser Kind sei ja nicht normal.“

„Immer wieder hören wir Vorwürfe, wir hätten unser Kind verzogen!“

„Wir sind schon ewig befreundet, aber unser Blick auf Kinder ist soooo unterschiedlich.“

Kennt Ihr das? Ich höre das oft und kenne es auch selbst: Freundschaften werden manchmal anstrengend, wenn Kinder dazukommen. Vor allem wenn die Ansichten über Erziehung weit auseinander gehen oder eine der Familien ein Kind hat, das nicht wunderbar in eine normierte Erwartungshaltung passt. Zu schüchtern? Ach, das ertragen die meisten ganz gut. Aber „zu wild“?! Da wird es schwierig.

Weiterlesen

14 Feb

Die 100 besten Tipps für Babys Schlaf und wieso sie nicht funktionieren

D-Von ist keine 11 Monate alt. Das hat unglaublich viele wunderbare Vorteile und er hat unzählbar viele tolle Eigenschaften. Zum Beispiel gehört er zu den besonnensten und ruhigsten Menschen, die ich kenne. Ich liebe sein Strahlen über Kleinigkeiten, seine stete gute Laune und vor allem – vielleicht am meisten – dass für ihn einfach nichts ein Problem ist. Wirklich nichts! Wenn wir mal zu spät vom Spielplatz kommen und er ein paar Minuten zu spät ins Bett geht – kein Problem. Ein Wochenende bei Freunden in völlig ungewohnter Umgebung – kein Problem. Früh aufstehen – kein Problem. Draußen sein, drinnen sein, warm, kalt, nass, trocken, immer nur machen was der Bruder will, 5 laute Wutanfälle des Bruders am Tag – alles kein Problem. Das lächelt er weg. Es gibt keinen Punkt (außer Popel entfernen) auf unserer Tagesliste, der ihn stört, ängstigt oder sonst wie Tränen verursacht. Nichts bringt ihn aus der Fassung, er ist ein Bilderbuchkind. Bis auf ganz genau ein winziges Detail: er schläft nicht.

Und mit „er schläft nicht“ meine ich nicht einfach nur nicht durchschlafen und schlecht einschlafen, das ist bei Babies nun mal so und das dauert auch, bis sich das von alleine legt, weiß ich aus Erfahrung.

Nein, er schläft nicht, zumindest keinen erholsamen Schlaf.

Ich hatte bereits berichtet, dass ich Stunden damit zubringe, ihn immer wieder in den Schlaf zu begleiten, denn er wird ständig wach. Kleinste Geräusche, Änderungen, Bewegungen wecken ihn. Wir haben uns auf 45 Minuten alleine irgendwo liegen gekämpft und zwar nicht mit Foltermethoden á la Kast-Zahn und Ferber, nein, mit Tragen und streicheln und der richtigen Musik und viiiiiiel Vertrauen. Das betrifft ja ohnehin nur den Tagschlaf, denn wir schlafen ja alle im Familienbett. Doch auch nachts verschafft mir das keinen engelsgleichen achtstündigen Schlaf – nein, jede Bewegung, jedes Nase-hochziehen, jedes Kratzen könnte ihn wecken. Und in manchen Nächten verbringe ich dann einfach ein oder zwei Stündchen im Kinderzimmer, verfluche die Zeitverschwendung und das schlaflose Babyjahr und denke zurück an die vergangenen, mittlerweile 3 Jahre, in denen ich keine eine Nacht durchgeschlafen habe. Und das ist nicht übertrieben. Ihr erinnert euch: 19 Monate Abstand. Als D-Von kam, hat Bubba Ray noch nicht durchgeschlafen. Und als er es tat, mit 24 Monaten, ziemlich genau, ging es von vorne los. History repeats itself.

Also. Was tun?

Mit dem ersten Sohn saß ich also in Krabbelgruppen, Elterntreffs und manchmal auch vorm Laptop, auf der Suche nach Tipps, wie ich denn nun mein Baby zum Schlafen bekommen würde. Das Netz ist voll mit Listen, Ratgebern, Foren, Facebook-Gruppen – das Thema ist in aller Munde. Bubba Ray war ein besonders krasses Exemplar, denn eigentlich war jede Nacht der ersten zwei Jahre schlaflos. Mal mit Albträumen, mal mit Nachtschreck, mal einfach nur um laufen zu üben.

Also fing ich an, an meinem Kind herumzudoktorn, in der Hoffnung, ich könne es irgendwie dazu bringen, zu schlafen. Ich zähle mal grob auf:

1.) Mit Licht an schlafen.
2.) Das Licht ausschalten.
3.) Aufstehen
4.) Auf keinen Fall aufstehen
5.) Stillen
6.) Nicht stillen
7.) Nuckeln
8.) Nicht nuckeln
9.) Schnuller
10.) Kein Schnuller
11.) Jeden Tag feste Rituale
12.) Auf Rituale verzichten und aus dem Trott ausbrechen
13.) Jeden Tag zur selben Uhrzeit rein und den Abend einläuten.
14.) Bringt eh nix, also weiter spielen
15.) Das Kind sich selbst regulieren lassen
16.) Das Kind beim Runterkommen begleiten
17.) Das einschlafen begleiten
18.) Alleine einschlafen lassen
19.) Im eigenen Bett an unseres angebaut schlafen lassen
20.) Im Familienbett schlafen
21.) Neben Papa schlafen
22.) Neben Mama schlafen
23.) Im eigenen Zimmer schlafen
24.) Im Schlafzimmer schlafen
25.) Mit Musik einschlafen
26.) Ohne Musik einschlafen
27.) In einer Woche alles versuchen
28.) In der nächsten Woche nichts mehr tun
29.) Abends viel essen
30.) Abends wenig essen
31.) Hafermilch aus der Pulle im Bett
32.) Dann auf dem Sofa
33.) Dann gar nicht mehr
34.) Bücher vorlesen
35.) Keinen neuen Input geben
36.) Toben
37.) Bloß nicht toben
38.) Leise spielen
39.) Laut spielen
40.) Tanzen
41.) Bloß nicht tanzen
42.) Musik an
43.) Musik aus
44.) Baden
45.) Nicht baden
46.) Massieren
47.) Nicht massieren
48.) Ein bestimmtes Ritual, gemeinsam mit dem anthroposophischen Kinderarzt entwickelt, das ihn abends Erden soll
49.) Das über Bord werfen
50.) Homöopathische Mittelchen
51.) Die in den Müll werfen
52.) Untersuchungen beim Heilpraktiker, die sehr teuer und…
53.) Sinnlos waren. Weglassen.

Soll ich eigentlich noch weiter machen? Ich könnte. Da gäbe es noch einiges. Aber soll ich euch mal sagen, was davon was gebracht hat?

Nix.

Nee. Richtig gelesen. Nichts. Keine der oben genannten Maßnahmen haben in irgendeiner Form dazu beigetragen, dass mein hochsensibles Kind, sein Filter, der einfach nicht funktioniert und ihn am Tag zu viel aufnehmen lässt, die gleichzeitigen Schwierigkeiten, sich selbst zu regulieren und runter zu fahren und seine hohe Intelligenz, die ihm quasi verbietet, Dinge einfach abzutun sondern sie eben ganz genau verstehen und beherrschen zu wollen, was wiederum dazu führt, dass er vom Tag schlechter Abschied nehmen kann, schlief. Geschweige denn durchschlief.

High Need Babies, hochsensible Kinder, schlafgestörte Kinder, Schreibabies, Schreikinder, 24-Stunden-Kinder – W H A T E V E R.Man kann dem Kind so viele Namen geben wie man will, am Ende des Tages bedeuten alle Überschriften das Gleiche: solche Kinder sind eben nun mal nix für nur so nebenbei. Ist übrigens kein Kind, mal davon ab. Wer sich sowas wünscht und lieber schlafen möchte, dem empfehle ich einen Hund. Die schlafen wirklich sehr gern und viel.
Klar, es gibt Kinder, die deutlich weniger Schwierigkeiten haben, im Leben anzukommen und eben solche, die nicht einfach ankommen, ihren Platz in der Familie einnehmen und gut isses.

D-Von ist übrigens so ein Kind. Ein Ankommen-und-Platz-einnehmen-Kind. Eins, für den einfach nichts ein Problem ist. Ein völlig unkomplizierter kleiner Junge. Ganz weit davon entfernt, hochsensibel, High Need, Schreibaby oder wasauchimmer zu sein. Einfach ein Baby, das mitmacht und sich nicht beschwert und das trotzdem nicht schläft und ich sag euch jetzt auch woran das liegt, Achtung:

WEIL BABIES EBEN NUN MAL NICHT SCHLAFEN.

Ich freue mich schon auf die Kommentare von Eltern, deren Kinder problemlos nach wenigen Wochen oder Monaten geschlafen haben, wirklich! Denn ich gönne es euch von Herzen, aber seid euch auch bewusst, dass das eben nun mal nicht die Regel ist. Und dass die Zahl der Babies, die gar nicht schlafen, nicht alleine schlafen, nicht alleine einschlafen, nicht durchschlafen, nur in der Trage schlafen, nur im Auto schlafen, nur mit XY schlafen, viel höher ist als die Zahl derer, die ankommen und pennen.

Warum wohl ist das das beliebteste Thema in Foren, Gruppen und Bücherregalen?

Die Thematik hat ihre Berechtigung, Schlafmangel ist Folter, dass Eltern diesen Zustand so schnell wie möglich loswerden wollen ist nur verständlich.

Aber ich hab leider keine Tipps für euch. Sorry. 😉

Letztendlich hat exakt eine einzige Sache geholfen, dem chronischen Schlafmangel und so mancher Schlafstörung, wie Nachtschreck (ganz ekelhaft übrigens, wünsche ich keinem Menschen auf der Welt!) entgegenzuwirken, ja, sie sogar zu verdrängen: die Zeit.

Als Bubba zwei Jahre alt wurde, wurden die unruhigen Nächte wirklich deutlich ruhiger.

Und zwar von ganz allein.

Er schlief plötzlich sehr souverän durch, tut das auch jetzt noch, außer einmal im Monat, bei Vollmond nämlich. Aber die Zeit war gekommen, er war bereit, konnte abends besser loslassen und hatte Wege entwickelt, die Reize des Tages besser zu verarbeiten. Er schläft alleine ein, auf eigenen Wunsch, ohne Input, mit kleinem Nachtlicht, mit nur einem einzigen richtigen Kissen, immer der gleichen Decke, immer dem gleichen Kuscheltuch, nichts davon darf je gewaschen werden – ach ja und die Vorhänge, die dürfen auf keinen Fall geschlossen werden, weil dort oben auf der Gardinenstange nämlich ein gruseliger Bär sitzt, vor dem er sonst Angst hat.

Ja bitte – wie soll das denn ein Baby kommunizieren, all diese Dinge, die so wichtig sind um schlafen zu können? Ist doch klar, dass das Jahre dauert, bis die doofen Eltern, die ständig das Licht ausmachen, tausend Geschichten vorlesen und selbst keinen Plan davon haben, was das Kind braucht, es endlich mal gecheckt haben! 😉

Schlafen ist schwierig. Wirklich sehr schwierig.

Und ich denke, wenn man diese Tatsache akzeptiert hat, ist die Chance, dass der Rest von allein kommt, gar nicht so klein. Und es kommt.von.allein. Versprochen!

In diesem Sinne: schlaft alle gut und wartet ab; auch wenn’s nervt. Aber wenn man nicht dauernd auf die Uhr guckt, geht die Zeit schneller rum.

……………

Kathrin Borghoff

Diesen Artikel habe ich bereits 2016 auf meinem Blog Ökohippierabenmütter veröffentlicht und nur etwas ergänzt. Den Originalartikel findet Ihr hier: Die 100 besten Tipps

Mehr von Kathrins wundervoller Arbeit rund um die FEBuB findet Ihr hier: Familienkonferenz für Elternschaft, Bindung und Beziehung

06 Jan

„Waren wir wieder zu laut, Mama?“

Eine dauerhafte Erkrankung ist für niemanden schön, weder für den Kranken, noch für die Angehörigen – aber eine besondere Herausforderung ist sie für Kinder, wenn ein Elternteil betroffen ist.

Ich habe drei Kinder und leide seit etwa 22 Jahren an starker episodischer Migräne. Am Ende der Pubertät fing es an, diffus, stark, häufig, fast jeden zweiten Tag.

Weiterlesen

05 Sep

Ich habe nicht aufgepasst!

„Nei‘! Lass! Nei‘!“ Unsere Tochter schimpfte im Nachbarzimmer mit ihrem großen Bruder. Wir sahen die beiden nicht, nahmen aber an, dass er sie – wie üblich – zankte, und riefen aus der Küche, er solle sie in Ruhe lassen, doch er entgegnete verzweifelt, das tue er nicht! Genervt stampften wir zu den Kindern – und entdeckten, was unser Sohn Großartiges tat: er hielt seine Schwester fest! Sie war nämlich auf die Fensterbank geklettert. Am Fenster, das wir offen gelassen hatten, sperrangelweit. In ihrem Kinderzimmer.

Sie war wieder hineingeschlüpft, das hatten wir gesehen; aber wir hatten nicht an das Fenster gedacht. Wir hatten einen schlimmen Fehler gemacht! Das hätte furchtbar ausgehen können.

Alle Familien, mit denen ich arbeite, alle Bekannten und Freunde, die ich schon kannte, als ihre Kinder im Baby- oder Kleinkindalter waren, haben mir irgendwann davon erzählt: Ihnen ist „etwas passiert“, ein Fehler unterlaufen, sie haben „nicht richtig aufgepasst“, das Kind hat sich verletzt, ist aus dem Bett gefallen, hat sich beim Krabbeln üben ganz schlimm den Kopf gestoßen, bei den ersten Schritten am Wohnzimmertisch entlang plötzlich den Kopf an der Tischplatte angeschlagen, oder – ganz furchtbar – ein Tasse vom Tisch gezogen und verbrüht. Oder oder oder.

Weiterlesen

09 Mrz

Ich schäme mich so!

Eine liebe Freundin hat mir einen verzweifelten Hilferuf gesandt. Sie fühlt sich überfordert mit der neuen Situation als Mama von einem Baby und einem Kleinkind; sie weiß vom Kopf her ganz genau, wie sie mit ihrer großen Tochter umgehen möchte, aber es misslingt ihr manchmal. Sie ist immer wieder nicht die Mama, die sie sein möchte.

Weiterlesen

31 Jan

Heute schon kooperiert?

Kinder sind Teamworker.
Sie wollen mit uns zusammenarbeiten, sich mit uns verbinden und kooperieren nur aus zwei Gründen nicht: sie sind damit überfordert oder wurden in ihrer Integrität verletzt.

(nach Katharina Saalfrank)

Oft ist am Abend einfach die Luft raus und Dinge wie Zähne putzen oder Umziehen werden zur Geduldsprobe.
In meinen Kursen und Beratungen veranschauliche ich den Eltern die Kooperationsbereitschaft immer mit einem Gefäß, das morgens randvoll ist mit vielen, vielen kleinen und auch größeren „Kooperationsbällen“. Und jedes Mal, wenn das Kind kooperiert (und das ist wirklich oft, wenn man genau hinschaut), kommt einer davon raus.

Weiterlesen