10 Mrz

Energiesparfamilie

Warum gibt es eigentlich heutzutage nicht einfach nur schlichte Krabbelgruppen, „so wie früher“? Warum gibt es Elterncoachings, Kurse mit festen Inhalten rund um Bindung, Schlafen, Essen? Warum gibt es so viele Bücher für Eltern, Blogs, Aktionen, Vereine wie unseren?

Sind Kinder ein Projekt, ein Lifestyle? Wird Elternschaft total überhöht, haben alle Angst vor Fehlern? Wieso stecken wir da so viel Energie, Zeit und auch Geld rein? Wieso haben wir so viele Fragen – und so viel Unsicherheit?

Ich glaube, Eltern, die ins Coaching kommen oder andere Hilfsangebote nutzen, haben entweder tatsächlich eine übermäßige, teilweise manchmal auch unrealistische Sorge vor „Fehlern“ – oder aber trauen sich eben, sich Hilfe zu holen, wollen es besser wissen – weil wir endlich so weit sind zu erkennen, dass vieles eben nicht okay ist, nur weil es mmer schon so war. Dass vieles doch schadet – und nicht „uns auch nicht geschadet hat“.

Heute wissen wir viel mehr, trauen uns Mauern einzureißen, zu hinterfragen und es mit uns und unseren Kindern anders zu machen (Mildi).

Den Weg finden

Die wichtigsten Inhalte von jeder Hilfe sollten daher m.E. sein, Ideen und Wissen weiterzugeben, individuell angepasst auf die jeweilige Situation, aber auch: mehr Gelassenheit und Sicherheit zu vermitteln, wenn Eltern kommen, die sich „zu viele“ Gedanken machen, die Angst haben, irgendetwas zu verpassen (weil vielleicht bei ihnen selbst etwas sehr unschön gelaufen ist, als sie noch ein Kind waren). – Und ja:  vielleicht kommen die Eltern dann nie wieder in die Beratung, zu dem Kurs, weil sie sich endlich mehr zutrauen, endlich klarer sehen, endlich ruhiger werden, es endlich wagen können, ihrer Intuition zu vertrauen oder aber erkannt haben, dass ihre Thematik gar keine pädagogische ist (sondern vielleicht eine psychologische)… Verrückt! Ein Unternehmensberater wäre wohl entsetzt über fehlende Kundenbindung, keine dauerhafte Betrachtung der Familien als „Baustelle“.

Aber ich denke, genau darum sollte es im Idealfall gehen: Grundlegendes vermitteln, anstupsen und Zutrauen schenken – und dann laufen lassen. Vielleicht noch hier und da mal hingucken und die Schrauben anders drehen, doch vor allem eben Gelassenheit vermitteln. Im Endeffekt geht es beim familiären Zusammenleben schließlich eigentlich recht simpel um das respektvolle Beachten aller Bedürfnisse, das Investieren in gute Beziehungen und das Ausbalancieren von Kraft und Genießen. 

Kräfte einteilen

Der letzte Punkt meint unseren ganz persönlichen Energiehaushalt und zählt eigentlich mit zu den Bedürfnissen. Haben wir Wissen, Sicherheit, glauben an uns und unsere Kinder, gehen geruhsam in den Alltag, bleibt – mit viel Glück – Kraft für die Momente, in denen sie wirklich benötigt wird. – Ein Idealbild oft, denn Arbeitswochen, Schule, Vewandtschaft, Finanzamt, Partnerschaftsprobleme, Krankheit…alles mögliche kann uns da noch mit hineingrätschen. Doch auch dann – vielleicht gerade dann – bleibt der Energiehaushalt ein wichtiger Punkt fürs Wohlfühlen und Rundlaufen können.

Da gilt es, immer mal wieder genau hinzuschauen:  Wo lohnt es sich zu diskutieren; wo wäre es eigentlich viel klüger anzunehmen? Wo gehen wir in Kämpfe mit unseren Kindern, die uns auffressen? Argumentieren, verneinen, streiten, weil wir meinen, das sei wichtig?!

Ich bin sicher, dass jeder immer wieder an solche Punkte gerät, und da ist es gut, nicht einfach weiterzumachen. Kann ich das nicht zulassen, weil es wirklich so relevant ist, dass das nicht so läuft? Oder kann ich das nicht zulassen, weil alte Glaubenssätze mir das sagen? Weil ich Angst habe, inkonsequent zu sein?

Was kann man ändern?

Hier wird es immer wieder Situationen geben, die jeden Kampf wert sind und in denen es wichtig ist, dass wir uns zeigen, dass wir „der Leitwolf“ (Juul) sind. Aber es wird auch immer wieder andere geben – Fragestellungen wie diese:

  • Muss ein Kind stundenlang am Tisch sitzen bleiben?
  • Muss ein Kind jeden Tag alle Hausaufgaben machen?
  • Muss ein Kind möglichst früh alleine schlafen?
  • Muss ein Kind viel laufen, obwohl es auf den Arm möchte und ich es noch tragen kann?
  • Muss ein Kinderzimmer ständig aufgeräumt werden?

  • Muss mein Kind mir dabei helfen?
  • Muss jeder Tag gleich ablaufen?
  • Muss jeder Streit schnell beendet werden?
  • Muss ich immer eingreifen, wenn die Geschwister zanken?
  • Müssen wir jeden Tag „an die frische Luft“?
  • Muss sich das Kind immer so warm/kalt anziehen, wie ich es tun würde?
  • Darf man Sandalen nur im Sommer tragen?
  • Darf man in Jogginghose aus dem Haus?
  • Muss man jede Mahlzeit gemeinsam einnehmen?
  • Muss man jedes Gericht probieren?
  • Muss man ein Musikinstrument lernen?
  • Muss man in jede Klassenarbeit perfekt vorbereitet gehen?
  • Muss das Kind Mittagsschlaf machen?
  • Muss ein Mädchen einen Badeanzug tragen oder reicht eine Hose?
  • Muss jedes Eingießen und Auffüllen immer kleckerfrei ablaufen?
  • Muss ein Kindershirt fleckenfrei sein?
  • Müssen Schulsachen geordnet sein?
  • Muss man feste Fernsehzeiten haben?
  • Muss jedes Kind ein eigenes Bett haben?
  • Dürfen die Kinder den Einkaufszettel mitbestimmen?
  • Dürfen die Kinder komplett alleine entscheiden, was sie mit ihrem Taschengeld machen?
  • Müssen Hausaufgaben mittags erledigt werden?
  • Muss man vor der Einschulung einen Schwimmkurs besuchen?
  • Muss man das Hobby durchziehen?
  • Muss man aus einem Glas trinken?
  • Muss man auf einem perfekt passenden Kinderstuhl sitzen?
  • Muss man Hausaufgaben am Tisch machen?
  • Muss ein Mitagessen warm sein?
  • Müssen Schleifen am Schuh perfekt gebunden sein?
  • Muss man Schnürsenkel öffnen vorm Ausziehen der Schuhe?
  • Muss man einen Regenschirm dabei haben – für alle Fälle?
  • Muss man direkt nach der Schule heimkommen?
  • Muss man wassersparend schnell duschen?
  • Muss man sparsam mit der Seife sein?
  • Muss man immer saubere, kurze Nägel haben?

Und und und… Unsere oder andere Familien haben derlei Themen in ihrem Alltag bemerkt, die eigentlich gar keines Kampfes bedürfen. Das ist in jedem Zuhause sicherlich ganz unterschiedlich. Aber es gibt sie immer, diese Felder, bei denen der Frieden zwischen den Familienmitgliedern einen höheren Wert hat, als das Durchsetzen einer „Regel“.

So kann man Energie sparen. Gelassener werden. Das „Projekt“ Kinder einfach mal laufen lassen. Ein bisschen runterkommen zu einem ganz geerdeten Miteinander. In Kauf nehmen, dass nicht alles kalkulierbar ist und prophylaktisch perfekt sein muss. Es gibt keine Garantien für die Wege, die vor unseren Kindern liegen. Ihre und Eure Persönlichkeit ist wichtiger als ein komplett abgehakter To Do Katalog.

Schaut mal bei Euch hin, wo noch Raum ist, loszulassen. Tauscht Euch aus und probiert, ob zu Euch passt, was bei anderen Energie spart. (Aber lasst Euch nicht einreden, dass ALLES „nur eine Frage der Einstellung sei“. Natürlich macht es einen Unterschied, wer Ihr seid, wer Eure Kinder sind, wie viel Unterstützung Ihr habt, was Ihr stemmen müsst.💙)

 

Ein Gedanke zu „Energiesparfamilie

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