20 Okt

Gastbeitrag: Frau Kleinkind geht ihren Weg

Immer wieder erleben wir Bindungsträumer Eltern, die unsicher sind auf ihrem bindungs- und beziehungsorientierten Weg. Weil das manchmal einfach hochkommt, weil der Weg so ein Probieren und schritteweises Tasten ist, weil ihr Umfeld sie verunsichert und ihnen „Schuld“ gibt für Verhaltensweisen ihrer Kiner, die gesellschaftlich teilweise nicht so erwünscht sind o.ä. Diese Eltern brauchen Rückenstärkung, die sie sich auf ganz unterschiedliche Weise suchen, die ihnen manchmal sogar einfach nur die Kinder selbst geben, und gehen ihren Weg dann relativ unbeirrt weiter, mit breitem Kreuz und großem Herz.

Eine Mutter, die auch manchmal verunsichert wurde und war, erzählt Euch von einem Erlebnis, das sie – mal wieder – in ihrem Weg bestärkt hat:

Frau Kleinkind hatte heute U7.

Im Februar berichtete ich unserer Familienbegleiterin, bei der wir einige Anstöße suchten (und fanden) noch von unserem Steinzeitbaby, das sich von niemandem auch nur anfassen lassen wollte.

Ob ärztliche Untersuchungen, Besuche bei den Tanten und Großeltern, in der Spielgruppe – unser Baby zeigte uns unmissverständlich, dass es sich nur bei uns Eltern wohl fühlte. Und auch wenn wir nicht viel auf Sätze wie „Da muss sie mal durch! Wie soll sie jemals offen in diese Welt gehen? Sie bestimmt ganz schön über euch!“ gaben: manchmal zweifelten wir.

Zweifel

Frau Kleinkind war für UNS immer goldrichtig, aber: „Haben wir es ihr vielleicht unnötig schwer gemacht, auf andere zugehen zu können, weil wir einfach IMMER da waren?“ Das war unsere Sorge.

In den letzten Monaten zeichnete sich schon ab: Haben wir nicht. Alles kommt zu seiner Zeit!

In vertrauter Umgebung – also zu Hause, in der Spielgruppe, im Supermarkt usw. zeigt sie keine Spur mehr von Scheu. Offen und selbstbewusst geht sie ihre Wege, sagt und zeigt, wenn sie etwas nicht möchte, und holt sich unsere Unterstützung, wenn sie alleine nicht weiterkommt. Unsere festen Wurzeln scheinen ihre Flügel nur so wachsen zu lassen.

Und heute dann der Tag, von dem ich schon einiges gelesen hatte, in den bindungsorientieten Foren auf Facebook: die besagte U7. Kinder, die nicht kooperieren können oder wollen, und Ärzte, die darauf bestehen Untersuchungen zu machen, statt kreativ zu sein oder Kompromisse eingehen zu können. Und verunsicherte Eltern, die Rat suchend zurückbleiben. Ein bisschen fürchtete ich, dass wir in eine ähnliche Situation geraten könnten. Aber es kam ganz anders.

Im Vorfeld hatten wir ihr erklärt, dass wir zu Dr. Xy fahren und dass er schauen wird, wie groß und schwer sie schon geworden ist. Kaum im Behandlungszimmer schnappte sie sich einen Teddy, legte ihn auf die Waage und schaltete diese ein. Nicht weil es der Plan des Arztes war, so vorzugehen – Nein! – sie hat es einfach gemacht, als wir eigentlich noch im Begrüßungsmodus mit dem Arzt waren.

Unser Kinderarzt ging einen Schritt zurück, ließ sie machen und staunte. „Sowas habe ich noch nie bei einer U7 gesehen“ – und dann fing er an, in ihr Spiel einzusteigen. Gemeinsam untersuchten sie erst die Ohren des Teddys, und dann durfte der Arzt in ihre schauen, sie hörten das Herz des Teddys ab, und sie durfte auch ihr eigenes anhören usw. Wir Eltern waren nur Zuschauer.

 

Unser kompetentes Kind

Während der Untersuchung plapperte sie immer mehr los. Eine richtige Unterhaltung war das. Und der Kinderarzt staunte weiter.

„Sie geht noch nicht in einen Kiga?“

„Nein“

„Dann haben das alles Sie gemacht!“

„Wir machen eigentlich nichts. Wir versuchen nur zu sehen, was sie braucht und einfordert, und unterstützen und begleiten sie dabei“.

„Ihr Wortschatz ist außergewöhnlich.“, und dann schaute er unserer Tochter weiter beim Spielen zu und sagte: „Sie ist schon regelrecht empathisch“.

Er hat jedes ihrer Neins respektiert und uns gesagt, dass wir alles richtig machen. Wir mögen unseren Kinderarzt sehr und wissen, dass er sehr behutsam ist , aber das heute war echt so schön zu sehen. Unser so lange fremdelndes Steinzeitmädchen hat diese U7 einfach mal zu IHRER U7 gemacht, und wir sind glücklich, einen Arzt zu haben, der darauf eingegangen ist. Denn ja: mit Druck und Zwang hätte diese Untersuchung auch ganz anders verlaufen können.

Am Ende hat sich für uns Eltern bestätigt: All das, was sich tief in uns immer richtig anfühlte, IST einfach der richtige! Unser Weg!

Autorin: Susanne Obst