„Du musst konsequent sein!!“
Vor Kurzem traf ich auf Twitter auf diese Frage: „Was bedeutet Konsequenz für euch? Seid ihr konsequent?“ Sie war ganz offen gestellt, könnte also auch von jemandem beantwortet werden, der dabei ans Fleischessen, frühes Zubettgehen oder tägliches Beten denkt. Aber ich als Mama und pädagogischer Coach hatte als erstes natürlich nur den einen Gedanken: Es geht hier ums Erzieherverhalten.
Woher kommt diese prompte, klare Assoziation?
Bevor ich Mutter wurde, war der Begriff nicht wirklich gebräuchlich in meinem Wortschatz oder in unserem Umfeld. Aber ich erinnere mich genau, wie er das erste Mal in meinem Kopf aufploppte: Das war irgendwann Ende 2005 und ich war im Januar zum ersten Mal Mutter geworden.
Die Stimme in meinem Kopf
Mein Baby war kein Baby, dass gut alleine einschlafen konnte. Es brauchte meine Brust bzw. das Stillen oder den Kinderwagen an der frischen Luft. Auch tragen ging, aber dann nur im Fliegergriff vor meinem Bauch, mit den Armen nicht mit einem Hilfsmittel. An manchen Abenden konnte ich stillen und stillen: er kam trotzdem nicht zur Ruhe. Dann noch mit dem Kinderwagen raus zu gehen, war für mich keine gute Option für den Nachtschlaf. Also trug ich ihn. Im dunklen Zimmer, mit langen Armen und müdem Kopf. Ich ging im Karree vor seinem Bett umher: immer wieder links, links, links, links, jeweils 2 Meter, jeweils ein paar kleine Schritte. Mein Kopf zählte die Fußbewegungen. Mein Baby wurde ruhiger, aber es dauerte, bis ich ihn ablegen konnte.
Meist schlief er dann erstmal gut. Ich konnte ihn in sein Gitterbett legen, wo er schlief bis er sich das erste Mal meldete. Dann holten wir uns zu uns ins Familienbett. Da dies nicht ebenerdig war und er motorisch immer fitter, mochten wir ihn ohne uns nicht mehr dort schlafen legen.
Manchmal legte ich ihn hinein und er wurde wieder wach. ZACK! Ihr kennt das. Und das waren diese Momente, wo die Stimmen in meinem Kopf brüllten: „Du musst konsequent sein! Du darfst ihn nicht wieder hochnehmen. Sonst macht er das weiter und weiter.“ Oder: „Du trägst ihn noch mit 5 Jahren, wenn Du das jetzt wieder anbietest!“
Verrückt! Wo kamen die her? Ich kann es nicht genau sagen.
Mein Bauchgefühl
Zum Glück war mein Bauchgefühl damals schon ziemlich gut und die Glaubenssätze in meinem Kopf sehr schwach. Vielen geht es anders und das ist total verständlich, denn Elternwerden mach unsicher, ist herausfordernd, ist verwirrend. Man ist emotional durch das Nähe suchende Kind und den fehlenden Schlaf meist fürchterlich angegriffen und zusätzlich geschwächt. Dann haben alte Glaubenssätze und neue Vorwürfe aus dem Umfeld die Chance, auf fruchtbaren Boden zu fallen.
„Sei konsequent, sonst wird Dein Kind ein Tyrann!“
Nein, ich konnte das nicht. Ganz kurz habe ich gezögert. Mein erwachtes Kind hatte sich an den Gitterstäben im Bett hochgezogen, weinte müde und wollte nichts sehnlicher als auf meinen Arm zurück. Darf ich das?
Was für eine irre Frage eigentlich. Aber das können veraltete pädagogische Werte in unserem Kopf verursachen!
„JA!“ schrie mein Bauch, „Du darfst. Du musst!“ Ich holte ihn aus dem Bett, nahm ihn wieder auf den Arm, und jedes Konsequenzgefasel konnte mir den Buckel runterrutschen. Ich entschied in der Folgezeit für mich, konsequent liebevoll zu sein, konsequent auf mein Herz zu hören – nicht konsequent an Regelideen festzuhalten. Denn ich war mir sicher, mein Kind braucht und bekommt Sicherheit eben dadurch, dass ich meinem Herzen folge, nicht dadurch dass ich hart und stur werde.
(Wir änderten unser Einschlafritual kurz darauf und lernten gemeinsam, dass auch zusammen Arm in Arm auf einer ebenerdigen Matratze Ruhe bringen kann – Sicherheit für mein Kind beim Übergang in die Schlafwelt, Pause für meinen Rücken.)
Die Twitterantwort
Meine Antwort auf Twitter zur Frage „Was bedeutet Konsequenz für euch? Seid ihr konsequent?“ lautete übrigens „Keinen Plan. Bin lieber authentisch.“ Denn das ist es, was ich über die Jahre gefühlt habe, seit diesem ersten Abend, an dem Stimmen im Kopf mir sagen wollten, ich solle mein Herz leise drehen.