„Einkaufen OHNE Kinder ist meine Wellness-Zeit!“
„Ich war ohne Kinder im Supermarkt. Das war nach dem langen Tag mit ihnen zu Hause echt meine Oase! Ich hab extra langsam gemacht. Und mir teure Pralinen gegönnt – gleich auf dem Parkplatz!“
„Mit Kindern ist Einkaufen so stressig! Man will schnell machen, aber wird ständig unterbrochen und muss sich kümmern.“
Solche Sätze kennt Ihr bestimmt und das Gefühl dahinter auch. Das geht mir selbst nicht anders. Lange Tage alleine mit einem oder mehreren Kindern, die vielleicht schon um 5 Uhr aufgewacht sind und schon um 11 Uhr keine Lust mehr auf gar nichts hatten, fressen einen emotional an, und man ist froh über Unterstützung oder am besten Ablsöung. Total gerechtfertigt! Da wird der Einkauf zum Urlaub, der Arztbesuch zum Wochenendtrip-Ersatz, der Weg zum Briefkasten zur Wellnesszeit (und der Toilettengang zum Spa…).
Heute sah ich im Supermarkt aber eine Szene, mit der ich in Erinnerung rufen möchte, dass wir nicht nur Wellness-Lebensmittel-Shopping anpeilen oder uns über stressiges Großfamilieneinkaufen ärgern sollten, sondern hin und wieder Einkäufe MIT Kindern gut und wichtig sind.
Eine junge Frau mit 2 kleinen Kindern wuselte durch die Gänge, die Regale entlang, der Einkaufswagen füllte sich langsam. Immer wieder blieb sie mit den Kindern stehen, beratschlagte, begutachtete, überlegte, erklärte, stellte etwas zurück, ließ etwas aussuchen usw. Wenn man der Gruppe eine Weile lauschte, bekam man mit, dass die Frau nicht die Mutter war („Das ist nicht so ein gesundes Essen. Das wollen wir für den Kindergarten heute nicht mitnehmen. Aber Du kannst Deine Eltren fragen und es sicher mal für zu Hause aussuchen.“)
Während ich die Dinge von meinem Einkaufszettel zusammensuchte, kreuzten sich unsere Wege mehrfach in dem kleinen Geschäft. Mich begeisterte, wie engagiert die Kinder waren. Natürlich liefen sie auch mal durch einen Gang, kletterten am Einkaufswagen herum oder nahmen ein Paket zu viel aus der Auslage. Aber die meiste Zeit waren sie voller Tatendrang und Interesse – sowie auch voller Selbstbewusstsein. Sie wurden gebraucht, sie hatten eine Aufgabe. Sie durften verstehen und entscheiden!
Einfach leben.
Für Kinder sind solche Momente toll und wertvoll. Alltag. Lebenstauglichkeit. Dinge, die die Großen machen. Teilhaben. Lernen. Darum möchte ich dafür sensibilisieren, dass wir nicht jeden Einkauf als unsere Auszeit ohne Kinder oder als notwendiges, hektisches Übel mit ihnen betrachten, sondern immer mal wieder als Gemeinschaftszeit, Quality Time. Man muss nicht jedes Mal „schnell schnell noch den Kühlschrank vollkriegen“, um DANACH dann aber endlich Zeit für einander zu haben – schon das Einkaufen selbst kann Zeit miteinander sein.
Oh ja, das geht nicht ständig – mit quängeligen Kleinkindern nach einem langen Kitatag, mit langen Kassenschlangen, mit Kindern die nicht mehr kooperieren mögen, weil sie das schon so oft mussten heute, mit müdem Kopf und Hunger bei uns selbst, mit Zeitdruck usw. ist es doof. Aber es geht manchmal! Und das zählt.
Einfach mal machen!
Jeder kann Aufgaben bekommen, etwas zu holen ist. Jeder kann etwas aussuchen dürfen. Jeder kann etwas Neues vorschlagen und man kann überlegen, welches Gericht sich daraus machen ließe. Jeder kann lernen hinzusehen, welche Zusatzstoffe in den Produkten sind oder dass sie fürchterlich viel Verpackungsmüll um sich herum haben. Jeder kann am Kassenband helfen, sehen dass man jemanden mit nur einer Saftflasche vorlassen kann oder dem alten Herrn an den Zeitschriften Hilfe anbieten kann, weil ihm das Bücken schwerfällt.
Entwicklungsgelegenheiten!
Wenn man Kinder beim Großwerden begleitet, ist es das Wichtigste neben dem Wurzelngeben, dass man ihnen Entwicklungschancen bietet: Momente, in denen sie wachsen, lernen, sich entfalten, sich ausprobieren können. Flügel.
An der Situation im Supermarkt gefiel mir besonders, dass hier ein Kindergarten diese Aufgabe besonders ernst nimmt und toll ausfüllt: denn „familienergänzende Erziehungsaufgabe mit dem Ziel, den Kindern beste Entwicklungs- und Bildungschancen zu vermitteln“ (Wikipedia) ist nicht vor allem musikalische Früherziehung, Zahlenreihen anmalen, Geschichten aus der Kinderbibel auswendig zu lernen, schulähnliche Situationen in festen zeitlichen Strukturen anbieten – sondern Leben wie zu Hause auch. Einkaufen, backen, Tisch decken, Sauberkeit, Wäsche falten, sich wetterpassend anziehen, kleine Verantwortungsbereiche übernehmen, planen, auch diskutieren, Kompromisse finden, Entscheidungen treffen – Lebenspraxis.
Ich mag, wenn das normal ist. Wenn Kindern das zugetraut wird. Wenn Kindergärten dafür Platz haben und die Relevanz sehen.
Und Eltern auch, ab und zu.