Jill Tomlinson: „Die kleine Eule“
Heute stellt Euch Vereinsmitglied Ulla ein wunderbares Kinderbuch vor – es geht um Ängste und Schüchternheit!
Passend zu Inke Hummels neuem Buch „Mein wunderbares schüchternes Kind“ (Humboldt, 2021), das gerade erschienen ist, möchte ich das Kinderbuch„Die kleine Eule“ von Jill Tomlinson (Ravensburger, 1997) vorstellen. Schüchterne Kinder benötigen oft etwas mehr Zeit und besonders liebevolle Begleitung, um sich an Neues zu wagen. Sie sind oft ängstlicher als andere Kinder und brauchen das richtige Maß an Forderung, aber keine Überforderung. Es tut ihnen gut selbst aktiv werden zu können, um Angst auslösende Situationen gut bewältigen zu können. Und all das steckt auch in diesem wunderbaren Buch!
Angst ist ein Gefühl, das jeder und jede von uns kennt. Sie gehört zur Palette der Gefühle genauso dazu wie jedes andere und kann sehr nützlich sein, da sie uns vor Gefahren schützt. Sie ist weder gut noch schlecht. Sie ist einfach da und darf da sein. Viele Kinder kennen Ängste. Manche trauen sich vielleicht nicht darüber zu sprechen oder können ihre Angst gar nicht verbalisieren. Da ist sie aber trotzdem und kann sich in Verhaltensweisen zeigen, die wir dann gar nicht richtig zuordnen können. Daher ist es wichtig, dass Kinder lernen, ihre Gefühle zu benennen. Ein Buch, in dem es um Angst geht, kann helfen, ins Gespräch zu kommen. „Die kleine Eule“ halte ich für Kinder ab etwa 4 Jahren dafür besonders geeignet.
Was macht die Eule denn?
Die kleine Schleiereule Platsch kennt die Angst nur zu gut. Sie hat Angst vor der Dunkelheit. Eine Eule, die Angst vor der Dunkelheit hat??? Aber Eulen haben doch NIE Angst vor der Dunkelheit, weil sie Nachtvögel sind.
Mama Schleiereule muss sich also etwas überlegen, damit Platsch keine Angst mehr hat und sie weiß, dass sie viel Geduld brauchen wird. So fragt sie Platsch zunächst, was er eigentlich über die Dunkelheit weiß und schickt ihn dann los, mehr über die Dunkelheit zu erfahren. Denn Angst hat man vor Dingen, die man nicht kennt. Also macht Platsch sich immer wieder auf den Weg, um Menschen und andere Tiere über die Dunkelheit zu befragen. So erfährt er, dass für manche Dunkelheit aufregend, herrlich, wunderschön oder faszinierend ist, für andere ist sie gütig oder notwendig, wieder anderen macht die Dunkelheit Spaß.
Jedes Mal wenn er zurückkommt, fragt Frau Schleiereule Platsch, was er über die Dunkelheit erfahren hat. Er berichtet darüber und seine Mama fragt ihn nach seiner eigenen Meinung. Die Antwort ist immer wieder: „Ich mag die Dunkelheit immer noch überhaupt nicht!“ Was er über die Dunkelheit lernt, findet er dennoch ziemlich spannend. Herr und Frau Schleiereule fragen Platsch jede Nacht aufs Neue, ob er mit zur Jagd kommen möchte. Seine Antwort ist immer die gleiche: „Nein!“ Also fliegen sie ohne ihn zur Nahrungssuche.
Doch eines Tages überrascht Platsch seine Eltern mit seinen Antworten. Denn er findet die Dunkelheit auf einmal super und zur Jagd möchte er gerne mit!
Platsch hat seine Angst überwunden, indem er immer mehr über sie gelernt hat und sich seine eigene Meinung darüber gebildet hat. Seine Eltern haben ihn dabei geduldig und einfühlsam begleitet und gleichzeitig immer wieder sanft geschubst, ohne ihn zu überfordern.
„Die kleine Eule“ ist nicht nur ein wunderbares Buch für Kinder, die selbst ängstlich sind. Es ist ein Buch für alle, die Geschichten mögen, in denen jemand über sich hinauswächst.