20 Jan

Sind ja nur zwei Prozent!

In einer Stadt wie Regensburg leben ca. 3.000 Hochbegabte.
Jedes Jahr kommen etwa 30 Neugeborene dazu, die mit einem weit überdurchschnittlich hohen geistigen Potenzial ausgestattet sind. Spätestens in der Schule werden sie es deshalb oft ganz schön schwer haben.

Ganz schön schwer? Wie das?

Über Hochbegabung kursieren viele naive Theorien.
So wird angenommen,

  •  Hochbegabte brauchen keine Förderung
  • wenn Kinder schon hochbegabt sind, müssten sie in der Lage sein, sich selbst zu fördern
  • hochbegabte Kinder müssen eher gebremst als gefördert werden
  • hochbegabte Kinder erzielen nur sehr gute Noten, sonst sind sie nicht hochbegabt
  • Hochbegabung an sich ist schon ein Privileg, das nicht noch weiter begünstigt werden muss
  • die soziale Entwicklung bleibt auf der Strecke, wenn die intellektuelle weiter gefördert wird
  • kognitive Überforderung hat schlimmere Folgen als eine Unterforderung
  • hochbegabte Kinder müssen eben lernen sich den anderen anzupassen

Diese Theorien haben eins gemeinsam: sie sind alle falsch.

Dass sie auch von vielen Lehrern vertreten werden, ist einer der Gründe, warum die Förderung von Hochbegabten oft nicht stattfindet. Intellektuelle Förderung jedoch ist für die gesunde Entwicklung dieser Kinder geradezu lebensnotwendig.
Oft können sie bei der Einschulung bereits lesen, schreiben oder rechnen. Natürlich schalten sie dann ab, wenn sie tagelang einzelne Buchstaben malen müssen oder für die einfachsten Rechenarten nur im Schneckentempo vorankommen. Sie brauchen die vielen Zwischenschritte und Wiederholungen einfach nicht. In der Folge albern sie herum und versuchen so instinktiv, den Schulalltag dadurch für sich interessanter zu gestalten. Oder aber sie klinken sich gedanklich aus. Diese völlig logischen Reaktionen werden oft von Lehrenden nicht erkannt oder falsch als AD(H)S gedeutet. Auf diese Weise werden notorische Störer, Tagträumer, Klassenclowns sowie Leistungsverweigerer produziert, die Gefahr laufen, als „verhaltensauffällig“ in den entsprechenden pädagogischen Sondereinrichtungen zu landen. Und das trotz des immensen geistigen Potenzials!

Sollten Lehrende es nicht besser wissen?

Die Realität sieht leider so aus: die überwiegende Mehrheit erfährt in ihrer Ausbildung nichts über Hochbegabtenförderung. Pädagogisches Personal ist schlecht aufgestellt, wenn es darum geht, Merkmale von Hochbegabung  zu erkennen, es kennt keine Beratungsstellen und Publikationen zum Thema schon gar nicht. Das ist ein Skandal!

Lernen ist ein Grundbedürfnis, genau wie Anerkennung oder Teilhabe. Wenn wir uns dafür einsetzen, die Bedürfnisse von allen Kindern zu sehen und ihre Grenzen zu schützen, gilt das auch dafür. Auch wenn es nur einen kleinen Teil der Kinder, nämlich zwei Prozent, betrifft.

Wenn Ihr wie ich Elternteil eines hochbegabten Kindes seid, dann wünscht Ihr Euch vermutlich genauso sehr Verständnis für die Eigenarten Eures Kindes. Ihr seid genauso verzweifelt, wenn es von der Lehrkraft vor der ganzen Klasse bloßgestellt wird, weil es mit sieben Jahren negative Zahlen kennt. Ihr sucht genau wie ich nach Lösungen, damit Euer Kind den Schulalltag ohne Bauchschmerzen und Schlafstörungen meistern kann und seid genau so frustriert, wenn die Pädagogen Euch nur belächeln. Ihr wisst, dass Euer Kind nicht gestört ist. Es braucht keine Therapie, es braucht lediglich genug Futter für sein Hirn. Und es tut Euch genau so weh zu sehen, wie es fast zerbricht an der Anstrengung, sich anzupassen und so sein zu wollen, wie die anderen. Wenn Ihr so ein Kind habt, dann sind die zwei Prozent völlig egal.

Unterstützung findet Ihr zum Beispiel bei Schulberatungsstellen, Schulpsychologen, der DGhK oder bei Begabungspädagog*innen wie mir.