Trudy Ludwig: „Der unsichtbare Junge“
Bindungsträumemitglied Ulla hat für Euch wieder ein Kinderbuch gelesen und rezensiert. Solltet Ihr gerade beispielsweise Inkes „Mein wunderbares schüchternes Kind“ lesen oder Euch allgemein Gedanken rund um die Thematik machen, ist das hier vorgestellte Buch für Euch sicher ein guter Tipp. Es ist für Kinder ab 4 Jahren bis ins Grundschulalter hinein geeignet.
Sich unsichtbar fühlen… Die meisten mögen dieses Gefühl nicht besonders gerne, denn jeder Mensch möchte gesehen werden. Wie es sich anfühlen kann, wenn man von niemandem gesehen wird, erlebt Ben im Buch „Der unsichtbare Junge“ von Trudy Ludwig.
Ben wird in seiner Klasse von niemandem gesehen. Nicht von den Kindern und auch nicht von den Lehrkräften. Beim Auswählen von Teams für Spiele bleibt er als einziger am Ende übrig, beim Essen will niemand neben ihm sitzen, zu Geburtstagen wird er nicht eingeladen. So zieht sich Ben zurück und geht in Pausen seiner Leidenschaft, dem Zeichnen und Malen, nach.
Als Yoshi neu in die Klasse kommt, wird er ausgelacht, weil er ein koreanisches Essen dabei hat und mit Stäbchen isst. Nur Ben lacht nicht. Er kann sich in das neue Kind hineinversetzen und überlegt, ob ausgelacht werden oder unsichtbar sein schlimmer ist. Ben beschließt daher ein Bild für Yoshi zu malen und ihm ein paar nette Worte zu schreiben. Und so kommt es, dass das Yoshi Ben in der Pause anspricht, als dieser mit Kreiden auf den Schulhof malt. Als dann im Unterricht eine Teamaufgabe ansteht, darf Ben bei Yoshis Gruppe mitmachen. Bei der Aufgabe kann Ben sein Zeichentalent einbringen und wird zum ersten Mal von seinen Mitschüler*innen gesehen. Bei der nächsten Mittagessenszeit sitzt Ben nicht mehr allein, sondern mitten unter den anderen.
Was dieses Buch besonders macht?
Die Illustratorin Patrice Barton zeigt auf ganz wunderbare Weise wie Ben vom unsichtbaren Jungen langsam zu einem sichtbaren Jungen wird, indem sie ihn erst schwarz-weiß darstellt und ihm dann nach und nach immer mehr Farbe verleiht.
Auf der ersten Seite wird erklärt, warum für die deutsche Übersetzung bewusst Gendersternchen verwendet werden und wie dies vielleicht für manchen ein Stolperstein sein mag. Das Thema „Sichtbarmachen“ wird dadurch noch einmal aufgegriffen, denn durch die Verwendung der Gendersternchen werden eben nicht nur die Freunde von Ben genannt, auch die Freundinnen sind so sichtbar.
Am Ende des Buches sind Fragen zu den wesentlichen Stellen des Buches, die zum Nachdenken und Weiterdenken anregen. So kann man mit Kindern ins Gespräch kommen. Vielleicht kann das Buch dazubeitragen, dass Kinder bewusst hinschauen, wenn andere nicht gesehen werden. Vielleicht gewinnen Kinder dadurch Mut, andere anzusprechen und können so helfen sie sichtbar zu machen. Vielleicht kann es ein schüchternes Kind ermutigen, einen kleinen Schritt auf andere Kinder zuzugehen. Und vielleicht kann es dazu beitragen, dass auch stille, schüchterne Menschen gesehen werden mit allen ihren Fähigkeiten und Talenten. Denn in jedem von uns stecken wunderbare Schätze, die manchmal nur darauf warten ans Tageslicht befördert zu werden!