Was lange währt…
Schlafen war irgendwie schon lange so gar kein Thema mehr in unserer Familie, irgendwie aber halt doch. Wir legten uns abends zu dritt ins Bett, ein Mildikind links im Arm, das andere rechts, und dann schliefen beide in Nullkommanix ein und die ganze Nacht durch. Im Grunde hatte das hier niemanden gestört, wenn sie nicht schon „so groß“ wären. Da will man dann eben auch mal bei seiner Freundin übernachten und bisher hatte das zumindest bei der Kleinen noch nie geklappt. Ohne Hardcorekuscheln mit maximalem Körpereinsatz meinerseits war an Einschlafen nicht zu denken und jeder gescheiterte Versuch von vielen Tränen begleitet.
Das sollte sich jetzt ändern. Das Mildimädchen wollte das schaffen, wollte so sein wie die anderen, wollte endlich mit weniger Mama auskommen. Gar nicht so einfach, wenn man so gefühlsstark und sensibel ist und eben einfach ganz viel Mama braucht!
Wie das bei mir damals genau war, weiß ich nicht mehr. Ich kann mich nur noch ans alleine Einschlafen erinnern und wie doof ich das als Kind fand. Wie ich nachts, wenn ich aufwachte, meine Decke mitnahm und mich neben das Bett meiner Mutter legte, um wenigstens in ihrer Nähe zu sein. In ihr Bett zu klettern habe ich mich nicht getraut. Schlafen bedeutete für mich Einsamkeit und ganz viele Ängste und nicht das zu bekommen, was ich gebraucht hätte. Für meine Kinder soll das so nicht sein.
Wir gingen deshalb in ganz kleinen Schritten vor. Jeden Abend ein bisschen weniger Mama. Erst blieb ich nur noch direkt neben ihr liegen, dann rutschte ich immer weiter weg, bis ich schließlich am Bettrand saß bis sie eingeschlafen war. Das ging problemlos. Schwieriger war die nächste Stufe, nämlich auf dem Stuhl neben dem Bett zu sitzen. Für sie war damit die Distanz zu groß, aber schaffen wollte sie es unbedingt. Irgendwann stand der Stuhl neben der Tür und sie konnte mich weder sehen noch atmen hören. Da erzählte ich ihr vom Dosentelefon, das wir in meiner Kindheit mal gebaut hatten (und das nie wirklich funktionierte, aber psssssst!). An jedes Ende einer langen Schnur wurde eine Dose geknotet und beim Reinsprechen der Schall übertragen und man konnte miteinander reden. Die Idee fand sie cool und weil sie ja aber schlafen und sich nicht unterhalten wollte, entstand die Idee der „Bindungsschnur“. Ein Wollfaden, der unsere Bindung symbolisierte, war die Lösung! Ein Ende band sie sich ums Handgelenk, das andere hielt ich in der Hand und so blieben wir in Verbindung. Schließlich konnte ich sogar meinen Kram in der Küche erledigen, während das Mildimädchen alleine einschlief. Nur dass die Schnur während dessen ans Regal geknotet und nicht in meiner Hand war, erzähle ich ihr (vorerst) lieber nicht.
Gestern war es dann so weit. Wir sind wieder mal im Allgäu bei unseren Freunden und diesmal nahm sie sich fest vor, es durchzuziehen und nicht mit mir im Gästezimmer zu übernachten. Und weil eine Schnur quer durchs ganze Haus ziemlich unpraktisch ist, setzte ich mich vorher noch an die Nähmaschine. Ein Herz, gefüllt mit Watte und Mamaliebe, ist jetzt ihr Schlafbegleiter und sie nahm es mutig mit ins Bett. Und was soll ich sagen? Sie hat es geschafft! Die erste Nachthälfte hat sie bei ihrer Freundin geschlafen und kam dann sehr geknickt zu mir ins Bett gekrabbelt. Sie war traurig, weil es nicht gleich die ganze Nacht geklappt hat. Aber hey, das ist doch egal! Es ist ein Riesenerfolg, ein Meilenstein, und ich bin irre stolz auf mein großes Mädchen! Das kann sie inzwischen auch so sehen und wagt es diese Nacht gleich nochmal.
Ohne Tränen, ohne Angst, dafür mit Geduld, mit Verbundenheit, mit ein bisschen Schubsen an der richtigen Stelle und mit einem Stück Schnur haben wir das gemeinsam hinbekommen.