Pubertät x 2 – Teeniegeschwister im Streit
Wenn wir unsere Kinder beziehungsorientiert beim Aufwachsen begleiten, gehört es auch dazu, dass jedes Kind für sich gestärkt wird in seinen Bedürfnissen und Leidenschaften, um eine gesunde Persönlichkeistentwicklung durchlaufen zu können, sowie dass wir gemeinsam mit ihm gute Konfliktführung üben: den Blick auf Lösungen richten, Rederegeln finden, Pausen zulassen, Argumentation üben, den anderen ernst nehmen usw.
Mit diesen beiden Pfeilern (und mehr) als Basis sollten unsere Kinder stark in die Pubertät gehen im Bereich „Streitigkeiten“: Dispute mit Lehrern, Stress mit Freunden, Konflikte mit Fremden sollten sie also meist schon gut angehen und selbständig führen können. Und auch Geschwisterstreit, der unser Familienleben in den ersten Lebensjahren der Kinder oft übermäßig stark bestimmt und uns manchmal fast den Atem nimmt, sollte langsam weniger werden bzw. sinnvoller geführt werden können.
Doch ist einer der beiden Streithähne oder sind gar beide im pubertären Hormon- und gesellschaftlichen Zwischenstadium-Chaos gefangen, grätschen ihnen natürlich neue Schwierigkeiten in ihr Tun. Da kann der jugendliche Rücken noch so stark und der Fokus noch so theoretisch aufs Lösen gelegt worden sein, es gibt doch einige Störer:
- andere und eigene Emotionen können nicht immer eindeutig wahrgenommen und eingeordnet werden
- die eigenen Gefühle können nicht immer treffend geäußert werden – und auch nicht umsichtig
- es fällt oft schwer, in dem Durcheinander den passenden Tonfall zu finden
- innere Unsicherheiten durch die Schwebe zwischen Kindheit und Erwachsensein werden leicht mit Coolness oder Härte überspielt
Was macht man da?
Auch hier steht man als Elternteil in der Verantwortung wie bei den 3-jährigen mit ihrem Schaufelkampf am Spielplatz, aber muss eben wieder nicht immer gleich eingreifen, sondern die Teenager mehr denn je üben lassen. Hier hilft Vertrauen: Haben wir unseren Kindern gutes Streiten vorgelebt und hier und da erläutert? Dann können wir sie laufen lassen. Sie dürfen auch „Fehler“ machen. Die gehören zum Lernprozess.
Wenn uns beim Streit zwischen jugendlichen Geschwistern etwas sehr kritisch auffällt oder wir als Zuschauer den Eindruck haben, ausmachen zu können, woran eine letztendliche Lösung gescheitert ist, können wir eher im Nachgang aktiv werden und mit jedem einzelnen besprechen, was wir wahrgenommen haben, wie wir seine Wirkung auf sein Gegenüber empfunden haben, welche Worten oder Taten verletztend waren. So können wir unserem Teenie helfen, es zukünftig noch besser hinzubekommen.
Akut eingreifen sollten wir wirklich nur im Notfall (und auch dann helfen uns Aktives Zuhören nach Gordon und Lösungssuche ohne Schuldzuweisungen, genau wie bei unseren jüngeren Kindern).
Persönlich geworden?
Bei uns entstehen Streitsituationen zwischen den Teenagern oft aus eigentlich spaßigen Situationen heraus. Unser Familienhumor ist bunt und weit, „dissen“ gehört dazu. Wir witzeln über uns selbst und über den anderen, können aber in der Regel gut einschätzen, wie weit wir dabei gehen können, ohne einander zu verletzen oder zu beschämen. Das ist im Grunde ein toller Beziehungsschmierstoff!
Aber manchmal wird es fies. Das scherzhafte Ping-Pong, das eben noch okay und lustig war, ufert aus. Dann spürt einer der Jugendlichen plötztlich keine Bremse mehr, obwohl er längst persönlich geworden ist.
Die Gegenseite ist dann leicht in einem ähnlichen, noch nicht ganz ausgereiften Verhalten gefangen und schafft es nicht immer, die Angriffe abzutun. So treiben sich beide dann gegenseitig an und finden keinen Ausstieg.
Meine Lösung ist dann einzusteigen: Ich mache mich mit dem sehr angegriffenen Kind gleich, indem ich etwas ähnliches von mir erzähle, was ihm gerade angekreidet wurde. Damit mache ich mich angreifbar, aber vor allem relativiere ich den „wunden Punkt“. So kann derjenige, der persönlich wurde, aussteigen, und der andere muss nicht mehr weiter biestig in die Giftspirale einsteigen.
Allgemein ist es sinnvoll und schön, den Teenagern offen zu zeigen, welche Schwachpunkte man selbst hat, welche peinlichen Momente man vor Kurzem oder auch in der eigenen Pubertät durchmachen musste und wie oft wir alle uns doch ähnlich sind. Das ermöglicht den Jugendlichen, leichter ins Gespräch mit uns zu kommen und sich weniger unsicher und besonders zu fühlen. – Und uns erinnert es daran, dass Pubertät nur Pubertät ist und kein Drama, denn wir sind wahrscheinlich auch durch vieles hindurchgegangen, was erstmal nicht optimal schien, aber uns nicht auf die schiefe Bahn gebracht hat.