Nils Pickert: „Prinzessinnenjungs – Wie wir unsere Söhne aus der Geschlechterfalle befreien“
Unser Vereinsmitglied Christopher End hat für uns das neue Buch von Nils Pickert gelesen und erzäht Euch, was ihn daran so bewegt hat und warum Ihr es lesen solltet!
„Jungen haben es zunehmend schwerer“, schreibt Nils Pickert im Vorwort zu Prinzessinnenjungs (Beltz Verlag, erscheint am 11.03.2020). Damit stimmt er der Diagnose vieler Autoren vor ihm zu – nur um ihnen sofort zu widersprechen: Es sei halt gerade nicht das Problem der Jungs, dass ihnen zu wenig Raum gegeben wird ihre wild, bewegungsintensive oder harte Seite auszuleben. Ganz im Gegenteil führ Nils aus: Es zu wenig Raum für ihre weiche Seite! Wer als Junge auch nur ansatzweise Interesse an Puppen, Rosa oder gar an Röcken äußerst, bekommt schnell Gegenwind.
Dass dieser Gegenwind nicht nur in heftigen Anfeindungen von Fremden sich ausdrückt, sondern auch von uns vermeintlich aufgeklärten, liberalen Eltern kommt, das war für mich einer der großen Aha-Effekte dieses Buches.
Wir reagieren anders auf ein Kind, wenn wir annehmen, dass es ein Junge ist, als auf ein Kind, von dem wir annehmen, dass es ein Mädchen ist. Das ist das Ergebnis der sogenannten Baby-X-Studien, die Nils im Buch erklärt.
Wissenschaftliche Erkenntnisse wie diese hochspannende Baby-X-Studie oder Statistiken lässt Nils immer wieder einfließen, ebenso wie persönliche Geschichten. Am eindringlichsten sind aber seine Appelle.
Was können wir tun?
Aber was ist denn eigentlich schlimm daran, auf Mädchen anders zu reagieren als auf Jungen? Nils ist sich sicher, dass es nicht nur den Mädchen, sondern auch den Jungs schadet: „dass Jungen deswegen das benachteiligte Geschlecht seien, weil sie nicht mehr so sein dürften, wie sie ‚in Wahrheit‘ sind.“
Denn was wir als Eltern, Erzieher*innen, Lehrer*innen, als Gesellschaft überhaupt Jungen absprechen, sind all diese Gefühle und Verhaltensweisen, Wünsche und Bedürfnisse, die hierzulande heute immer noch als „weiblich“ bezeichnet werden.
Das Schlimme: Indem wir Jungen weismachen, es wäre halt nicht männlich zu weinen, beginnen Jungs ihr Weinen einzustellen – bloss: Weinen ist eine sinnvolle Funktion, nicht beschränkt auf ein Geschlecht. Ebenso wie Kuscheln oder ein Sinn für Ästhetik nur Frauen vorbehalten ist. Nils erklärt, was aus Menschen wird, die nicht gelernt haben mit ihrem Schmerz umzugehen, sondern lediglich ihn zu unterdrücken: Menschen, die hart gegen sich und ander sind.
Klare Worte sind nötig!
Und es wird auch hart, was Nils hier an manchen Stellen schreibt und aufdeckt: Er schlägt den Bogen von vorpubertärer männlicher Coolnes, die die eigene Verletzlichkeit übertüncht, hin zu sexuellen Übergriffen.
Nils schreibt über „Männlichkeit in ihrer erbärmlichsten Version“. Das ist unangenehmen, das tut weh. Und ich finde es richtig und wichtig, dass er das tut – dass er das als Mann tut.
Er findet klare Worte gegenüber Vätern, gegenüber Männern – und ihrer Verantwortung für ihre Söhne:
„Wenn wir aufhören wollen, Prinzessinnenjungs das Lächeln aus dem Gesicht zu wischen und ihnen die Flügel zu brechen, mit denen sie alles hätten erreichen können, dann müssen wir Vaterschaft transformieren.“
Es ist zuweilen schwere Kost, ja aber notwendig. Notwendig wenn wir bewusster werden wollen, wenn wir etwas anders machen wollen: Dazu müssen wir aber erstmal sehen, wie wir es bisher machen – und vieles davon ist leider unbewusst. Das macht es so schwierig. Hier leitet Nils unseren Blick. Zeigt uns Dinge, für die wir vielleicht bisher blind waren oder die wir im Alltag übergehen.
Für mich ist Prinzessinnenjungs ein echter Augenöffner.
Daher lege ich dir dieses Buch ans Herz. Für unsere Söhne.
PS:
Wieso Nils als „Mann mit Rock“ für einen kurzen Moment weltweiten Medienruhm erlangte (und sich heftigstem Hass einhandelte), kannst du im Buch auch nachlesen. Nebenbei erklärt das, wieso auf dem Buchcover ein Mann Hand in Hand mit einem Kind abgebildet ist – beide mit Rock. Es ist eine dieser Geschichte von Nils, die nachdenklich machen.
(ce)
Nils wird demnächst zu Gast sein in Christophs Podcast "Elterngedöns" - mehr erfahrt Ihr dann hier!