19 Jul

Aus dem Kurs ins Leben, ins Herz – Post für die Zukunft

Wenn jemand die Leitung eines Eltern-Kind-Kurses übernimmt, gibt es verschiedene Voraussetzungen, die erfüllt sein sollten, damit man möglichst viel mitnehmen kann:

  • Es ist es von Vorteil, wenn er Fachwissen mitbringt. Natürlich gibt es auch viele Mütter, die Kurse anbieten und vieles weitergeben können! Aber manchmal werden dabei nicht fundierte Inhalte vermittelt, weil eben Aus- und Fortbildung fehlen und bestimmte Aspekte nicht hinterfragt werden. Eine Pädagogin, eine Trageberaterin, eine Stillberaterin, jemand mit bindungsbasierter Ausbildung wird seine Fachgebiete in der Regel versierter und auch auf dem aktuellsten Stand vermitteln können als andere. Denn es ist eben nicht nur „Singen und Klatschen“: gute Eltern-Kurse sind neben Hebammenbetreuung und guter kinderärztlicher Versorgung sowie im Verlauf bindungsorientierter Außer-Haus-Betreuung wichtige Grundpfeiler einer guten Versorgung mit Informationen, Impulsen und auch Sicherheit und Rückenstärkung auf dem eigenen Weg als Elternteil.
  • Es ist von Vorteil, wenn die Leitung Empathie, Herz und Mitgefühl hat: für die Eltern und für die Kinder. Das wird ihr ermöglichen, die Gruppe gut zu leiten, sich in die Bedürfnisse und Sorgen der einzelnen, aber auch in die Gruppendanymik gut einzufühlen und Eltern sowie auch Kinder gut abzuholen und zu begleiten. Wer nicht spürt, wo Themen brenzlig diskutiert werden oder jemand niedergemacht wird, und wer nicht sieht, wenn Babys und Kleinkinder überfordert sind und Hilfestellungen, Ruhe, Rituale und ganz bestimmt keine Übergriffigkeiten und Stress brauchen, der wird keine nachhaltig schönen Kurszeiten schaffen können. Wer nur einen vorgekauten Stundenplan abhakt („Heute reden wir über Beikost!“), obwohl andere Themen akut viel mehr beschäftigen, holt die Eltern nicht ab.

  • Und es ist auch eine Hilfe, wenn die Kursleitung selbst Kinder hat, die möglichst schon durch die Entwicklungsphase gegenagen sind, die im Kurs begleitet wird. Das ist kein Muss, es geht oft auch gut anders – natürlich. Doch wenn man selbst schon bestimmte Dinge erlebt hat, hat man oft alltagspraktische Tipps, die in keinem Buch, keinem Infoheft vom Ministerium und in keinem Kinderarztgespräch auftauchen. Und man weiß auch oft Dinge, die man im Nachinein lieber anders, nicht oder auf jeden Fall doch gemacht hätte, und kann Neueltern dies mitgeben. Andere Mehrfacheltern im Kurs können natürlich ähnlich hilfreiche Beiträge leisten, wenn es gute Gesprächsrunden gibt. Das kann so wertvoll sein, wenn es eben nicht überheblich ist. #gemeinsam

Mein Weg

Ich selbst habe schon alles an Kursarten erlebt, lange begeistert mitgemacht, eine Weile ausgehalten oder schnell abgebrochen. Und meine eigenen Kurse aus Leitungsperspektive haben sich über die Jahre stark verändert – sie waren sicher zu Beginn noch nicht so unterstützend wie jetzt, weil ich mich fortgebildet habe und aus unguten Situationen lernen konnte. Und ich habe vor allem mehr Toleranz entwickelt: weg vom „so muss man“, hin zu „all das ist #gutgenug“.

Aus den Kursen, die ich als Teilnehmerin mitgemacht habe, habe ich viele Informationen, ganz viel Sicherheit und vor allem auch gute Kontakte mitgenommen, die teilweise heute noch halten. Ich hoffe, die Erfahrung konntet Ihr auch machen.

Meinen Kursen habe ich hoffentlich viel Gutes mitgegeben. Das ist natürlich immer sehr unterschiedlich: Was wird gewünscht? Wofür ist Zeit? Was ist dringend notwendig? Eine der letzten Rückmeldungen bezog sich auf ein „Projekt“, das ich mit manchen Kursen schaffe, und die Idee möchte ich Euch gerne mitgeben. – Ha, das war eine lange Einleitung. 🙂

Erinnert Euch gemeinsam

Ich habe für alle Kursteilnehmer Ordner angelegt, die sie als Überraschung am Kursende bekamen. Gefüllt wurden sie mit Infomaterial aus dem Bindungsträume-Kosmos, aber vor allem auch mit Erinnerungen: Wenn ich viel Zeit hatte, habe ich nach jeder Kursstunde für drei, vier Kinder ein paar Notizen gemacht. Mit Datum wurde festgehalten, was sie Neues können, was ihnen besonders gefallen hat, was mit ihnen an dem Tag besonders lustig war. So sammelte sich für alle 8-11 Kinder im Kurs bis zum Kursende rund um den 1. Geburtstag einiges an.

Manchmal habe ich auch die Aufgabe verteilt, dass andere Kursteilnehmer solche Notizen über andere Kinder im Kurs oder das Zusammenspiel von Kind und Elternteil schreiben und mir für die Ordner mitgeben sollten. Das waren oft sehr lustige, manchmal sehr berührende Blicke, die den Lesenden am Kursende manche Rührungsträne brachten.

Und dann fiel mir ein, wie viele Momente es mit einem kleinen Kind gibt, in denen man da sitzt und die ganze Welt vergisst. Weil es so schön ist. Bedeutsam, berührend, freudig. Man ist ganz im Kinderkosmos und hat das Gefühl: „Ja, das sind wir! So bist Du! Das werde ich nie vergessen!“ Doch was passiert? Man vergisst so vieles trotzdem. Wir sitzen mit den 5- oder 8-jährigen nach einem langen Tag zusammen, beide müde, und werden gefragt, ob wir noch etwas Schönes erzählen können „von damals, als ich klein war“. Uns werden sicher ein paar Anekdoten einfallen, aber immer die gleichen, und wie genau unsere Stimmung war, können wir oft nicht mehr nachempfinden. Wie war diese große, neue Liebe? Wie war diese Sorge? Wie war diese Müdigkeit? Wie waren diese Erlebnisse, wenn das Kind uns die Welt zeigte? Wie war das Gefühl, wenn wir ganz im Moment waren und die Uhrzeit egal war?

Post für die Zukunft

Wisst ihr es noch? Ich hab viel zu viel vergessen, vor allem seit es drei Kinder in meinem Leben gibt. Da wirft man viel durcheinander. Aber ich habe über vieles Tagebuch geführt. Darin lesen wir öfter gemeinsam. Sowas hätte ich über mich selbst auch gerne gelesen.

Die Erinnerungen für meine Kinder sind nun zahlreicher als bei mir, aber immer noch wenige. Beim dritten Kind bat der Kindergarten mich, zum Beginn der Eingewöhnung einen Brief an ihn zu schreiben. Den bekamen wir am Ende der Kindergartenzeit zurück – und die Lektüre war wirklich, wirklich schön.

So kam ich auf die Idee, für die Kursordner die Hausaufgabe zu geben, dem Baby einen Brief zu schreiben. Ich wollte den nicht lesen. Er durfte verschlossen im Umschlag mitgebracht werden und wurde von mir dem Ordner beigefügt. Jetzt, einige Jahre nachdem ich das erstmalig gemacht hatte, kamen Rückmeldungen, wie toll es ist, das heute zu lesen. Das verbindet nämlich auch, wenn das Kind plötzlich vehement die Autonomie für sich entdeckt, man nur noch über Schule streitet oder die ersten Teeniepickel kommen! Es erdet zu lesen, wie es damals war, was alles gut und schwierig war. Man sieht, welchen Weg man schon gemeinsam gegangen ist.

Daher mein Rat: Schreibt Euren Kindern! Einmal im Jahr schafft das jeder, öfter ist natürlich noch schöner. Sammelt und lest es später gemeinsam. Das ist viel intensiver als das allerschönste, professionell designte Fotobuch (Das ist auch toll, aber!)

Das wird gut werden!