29 Feb

Aussortieren?

„Jedes Mal, wenn wir dort sind, verdreht sie die Augen über mein Kind.“

„Ständig bekomme ich von meinen Freunden zu hören, unser Kind sei ja nicht normal.“

„Immer wieder hören wir Vorwürfe, wir hätten unser Kind verzogen!“

„Wir sind schon ewig befreundet, aber unser Blick auf Kinder ist soooo unterschiedlich.“

Kennt Ihr das? Ich höre das oft und kenne es auch selbst: Freundschaften werden manchmal anstrengend, wenn Kinder dazukommen. Vor allem wenn die Ansichten über Erziehung weit auseinander gehen oder eine der Familien ein Kind hat, das nicht wunderbar in eine normierte Erwartungshaltung passt. Zu schüchtern? Ach, das ertragen die meisten ganz gut. Aber „zu wild“?! Da wird es schwierig.

Viele können es nicht lassen, dann ihren Unmut zu äußern, sehr persönliche Fragen zu stellen oder sogar Ratschläge zu erteilen. Manchmal mag es sogar sehr lieb gemeint sein, aber es tut oft weh und stresst eigentlich immer.

Was macht das mit mir?

Einige kommen damit zurecht, können sich konstruktive Kritik mitnehmen; andere sehen da nichts Konstruktives und haben oft auch recht. Dass locker an sich abprallen zu lassen, fällt dann häufig nicht leicht. Gerade beim ersten Kind ist man noch nicht immer so sicher, dass man ständigen Vorwürfen, Kritikäußerungen oder auch nur pieksenden Bemerkungen und Gesten gut Stand halten kann.

Das bohrt ja doch im Kopf, im Herz. Ist mein Kind so anders? Mache ich etwas falsch? Sollte ich mehr durchgreifen? Wird es ein „Tyrann“??

Die Unsicherheit kann groß werden. Das belastet die Freundschaft und die Zeit, die man gemeinsam verbringt.

Wie gehe ich damit um?

Einige bereiten die Treffen mit ihren Freunden dann besonders gut vor: „Am besten klar zwischen 16 und 18 Uhr – da ist unser Kind meist ganz gut drauf.“ oder „Auf jeden Fall nur draußen auf den Feldern, da kann es zu wenigen blöden Situationen kommen.“ – und „Auf gar keinen Fall bei denen zu Hause. Da muss ich ihn ständig ermahnen!“

Das ist ein Weg, klar. Stressig bleibt es dennoch.

Ich finde es besser, sich klar zu positionieren. Das heißt im ersten Schritt, das Gespräch zu suchen:

  • Man hat unterschiedliche Ansichten zu Kirche, Politik oder Musik, und darüber wird lustig bis laut diskutiert, aber nichts davon ist so persönlich und emotional wie Kinder und ihre Begleitung – vielleicht kann man das einmal grundlegend besprechen, jeder seine Sicht, und dann darum bitten, das Thema auszuklammern.
  • Oder man informiert sich, legt sich Sätze zurecht und erklärt dem Freund, dass das eigene Kind nunmal gefühlsstark ist oder aber eine emotionale Reifeverzögerung hat, vielleicht auch eine motorische oder oder oder – und dass man sich relativ sicher ist, es gut zu begleiten und sich zukünftig wünscht, da nicht hinterfragt zu werden.
  • Oh und: fragt mal nach und überlegt auch selbst, ob Ihr nicht genauso seid?! Lasst Ihr unkommentiert, wie der andere mit dem Kind umgeht? Verkneift Ihr selbst Euch Bemerkungen – oder bringt Ihr die auch immer mal wieder an, obwohl es echt nur um Kleinigkeiten geht und definitiv nicht um Kindswohlgefährdung?!! Auch das sollte in ein klärendes Gespräch miteinfließen.

Kommt man da auf keinen grünen Zweig miteinander, kann man es anders versuchen:

  • Treffen ohne Kinder; anknüpfen an das, was einen vorher miteinander verband. – Das kann ja auch echt schön und ein Gewinn sein.

Alles hat seine Zeit

Manchmal geht es aber  gar nicht mehr. Da kann sich tatsächlich viel auftürmen. Kinder verändern eine selbst ja auch.

Und war es nicht schon öfter so auf dem eigenen Lebensweg?

Am Ende der Pubertät hat man schon mal einige Freundschaften aus den Augen verloren, weil der Kumpel so sehr in eine andere Richtung abgedriftet ist als man selbst. Nach der Ausbildungszeit ging dann der Kontakt zu X und Y verloren, weil die Wege zu unterschiedlich wurden. Ja, das ist immer ein bisschen mit Wehmut verbunden. Aber es ist wirklich so: alles hat seine Zeit.

Es ist auch okay, wenn etwas mehr belastet als gut zu tun, es aus seinem Leben zu verabschieden. Vielleicht ist man selbst ja auch derjenige, der verabschiedet (aussortiert…) wird, weil das Gegenüber nicht gut ertragen kann, was man tut – das kann mit den Kindern zu tun haben, aber ja auch mit vielen anderen Dingen.

Ich finde, dann ist das okay. Dann muss man es annehmen und am besten nach vorne schauen. Da wartet noch viel anderes!