Gefühlsstärke, Schüchternheit, Extrovertiertheit usw. – Wer ist schuld?
„Das habt Ihr aber toll hingekriegt!“ lassen wir uns gerne sagen, wenn unser Kind kooperiert, gut mitläuft, nicht auffällt, „brav“ ist, „hört“, seine Emotionen gut im Griff hat. Wenn es aber Probleme macht, stört, „gegen uns arbeitet“, ausflippt, „frech wird“ und jemand sagt, das sei unsere Schuld, fühlt sich das nicht mehr so gut an. Das kann uns annagen, richtig fertig machen.
Die Wahrheit ist aber, dass wir beides nicht zu sehr für uns beanspruchen sollten!
Anlage? Umwelt??
Die Debatte darum, was in uns Menschen angelegt ist und was das Umfeld beeinflusst, ist uralt und nie eindeutig zu beantworten. Klar ist nur, dass beides zusammen wirkt, anteilig immer verschieden, und dass schon in unseren kleinsten Kindern ganz, ganz viel Persönlichkeit angelegt ist. Diese zeigt sich jeden Tag im Zusammenspiel mit Situationen, Mitmenschen, erfüllten oder unerfüllten Bedürfnissen wie ganz simpel ausreichend Schlaf oder Nahrung, und im Zusammenspiel mit Entwicklungsräumen und -möglichkeiten, Störendem, Motivierendem, kulturellen Gegebenheiten, sogar dem Wetter und und und. Sowie im Zusammenspiel mit uns Eltern.
Das heißt, bei einer bestimmten Situation zu sagen „Das war allein unser Elternverdienst!“ oder aber „Das war ausschließlich unser Elternversagen!“, ist gar nicht möglich.
Es ist auch unsinng. Es hilft niemals weiter.
Lösungen statt Last
Wenn unser Umfeld das tut – uns Lob schenkt oder Versagen vorwirft und Schuld gibt -, wünsche ich einen starken Rücken, um das ablehnen zu können.
Wir können uns mitfreuen, wenn unser Kind positiv auffällt. Vielleicht haben wir ihm etwas in der Hinsicht vorgelebt, viel dazu beigetragen, aber doch kommt das Verhalten in dieser Sekunde vor allem aus ihm – gerade wenn es auf Augenhöhe und beziehungsorientiert aufwächst. Das Kind macht, entscheidet, schafft.
Wir können uns ärgern, wenn etwas schwierig läuft, unser Kind negativ bemerkt wird – aber wir sollten uns dann nicht über das Kind ärgern, nicht über uns, nicht über Schuld! Sondern einfach über den Moment. Der war jetzt doof.
Und dann können wir hinschauen: Was war los? Was können wir ändern am Umfeld, an beeinflussenden Faktoren, an unserem Umgang mit dem Kind, mit seiner Persönlichkeit (die vielleicht gefühlsstark, vielleicht introvertiert oder oder oder ist)? Und was können wir ändern an uns? Was kann unserem Kind helfen, mit seiner Persönlichkeit besser durchs Leben zu kommen?
Wir suchen Lösungen, nicht Schuld! Immer wieder.
Schuld kann da sein – aber nicht Schuld am So-Sein des Kindes
Wir sind nicht schuld an starker Emotionalität, häufiger Wut, einem eher aggressiven Ich, einem eher zurückhaltenden Ich oder an schlechten Momenten. Wir können höchstens schuld sein an fehlender Beziehung und Bemühung im Umgang damit.
Daran gilt es zu arbeiten, anstatt sich in Selbstvorwürfen und schlechtem Gewissen zu verlieren. Und: auch wenn wir daran arbeiten, ist das Ziel nicht Perfektion, Stolperfreiheit. Das ist unerreichbar. Das Ziel ist annehmen was ist und bestmöglich damit umgehen.
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