Heinz Janisch und Michael Roher: „Schneelöwe“
Heute wartet wieder ein Text von unserer Kinderbuchfrauchfrau Ulla auf euch. Es geht um das Buch „Schneelöwe“ von Heinz Janisch und Michael Roher aus dem tyrolia Verlag (für Kinder ab 4 Jahren).
Dieses Buch, das ich mir zur Rezension aussuchen durfte, ist alles außer gewöhnlich.
Das beginnt bei der farblichen Gestaltung. Die Bilder, von denen jedes für sich ein Kunstwerk ist, sind (fast) ausschließlich mit Kugelschreiber gezeichnet, einem Werkzeug das gewöhnlich zum Schreiben benutzt wird. So ergibt sich ein schlicht wirkendes blau-weißes Gesamtbild. Doch die kunstvoll gestalteten Bilder lassen die Geschichte noch über den eher kurz gehaltenen Text hinauswachsen. Da gibt es so vieles zu entdecken, was im Text nicht erwähnt wird, was zum Weiterspinnen der Geschichte anregt und gleichzeitig Interpretationsspielraum lässt.
Worum es im Buch geht?
Ein Junge erzählt den Lesenden in der Ich-Perspektive von sich. Aber keine Geschichte im eigentlichen Sinn. Er nimmt uns mit in sein Inneres. Ihm ist klar, dass das, was er zu erzählen hat, nicht gewöhnlich ist und von vielen in Frage gestellt wird.
Denn in seinem Inneren ist der Junge ein Schneelöwe. Er verhält sich auch wie ein Schneelöwe, wenn er sich ganz leise unbemerkt anschleicht, mehr hört als andere und knurrend dazwischen geht, wenn jemand geärgert wird.
Gleichzeitig ist es ein großes Geheimnis, das es zu wahren gilt. Es ist etwas, das er anderen nicht erzählt oder zeigt. Der Junge fordert auch die Lesenden direkt auf dieses Geheimnis niemandem zu verraten. Doch nicht nur das: Die Lesenden werden ermutigt in sich selbst hineinzuspüren, um herauszufinden, ob sie nicht vielleicht tief in ihrem Inneren auch ein Tier sind. Denn durch seine hervorragende Beobachtungsgabe als Schneelöwe hat er herausgefunden, dass es noch andere Tiere unter den Menschen gibt – oder sind es als Menschen verkleidete Tiere? -, auch wenn diese wie er versuchen es geheim zu halten.
Mein Fazit
„Schneelöwe“ ist ein wirklich außergewöhnliches und geheimnisvolles Buch, das uns nicht nur anregt unseren Blick nach innen zu richten. Es zeigt uns, dass wir alles sein können und dass wir selbst entscheiden können, ob wir das anderen zeigen oder für uns behalten. Es regt zu Gesprächen mit unseren Kindern an – durch die Bilder auf der einen und die Geschichte, die eigentlich gar keine ist, auf der anderen Seite. Gespräche darüber, wie wir uns fühlen, wer wir eigentlich sind, was wir uns vorstellen, was wir an anderen beobachten, wie unterschiedlich wir sind, wie wir mit Geheimnissen umgehen können und noch vieles mehr. Es ist ein Buch das nachklingt und in Erinnerung bleibt.