17 Feb

Kann eine Fernsehshow bindungsorientiert sein?

Mit zwei Stunden Verspätung komme ich endlich im Hotel an, meine Freundin wartet schon auf mich.
Ich habe gesunde Snacks mitgebracht, Kaffee, Wärmepflaster, Taschentücher und Schokolade. Ich wollte für alles gewappnet sein, manchmal hat sie Rückenschmerzen und wenn sie nicht regelmäßig isst, bekommt sie Migräne.


Ich kenne sie, schon eine Zeit lang, und ich bin hier, um sie zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass es ihr gut geht. Und um einfach da zu sein, denn das braucht man in solchen Momenten, jemanden, der Sicherheit ist und Familie.

 

Ankommen

Im Foyer werden wir schon erwartet von zwei jungen Männern, beides Redakteure, ein eingespieltes Team. Zuvorkommend nimmt man uns die Taschen ab, alles wirkt noch etwas krampfig, aber das sind wohl wir, das ist die Anspannung, das Neue, Aufregende, Ungewohnte. Auf der Fahrt haben wir uns und unsere Vertrautheit, die stärkt.

Beim Aussteigen lächelnde Gesichter, alle grüßen und heißen uns willkommen. Türen werden uns aufgehalten, Mäntel abgenommen, Fenster geöffnet, Getränke angeboten, alles genau erklärt. Wir kommen ins Gespräch, mit den Redakteuren, den anderen Gästen und ihren Begleitern, wer wie gefunden wurde für die Sendung und wer vorher schon hier war. Es gibt Schnittchen und Sekt und gegen vor Aufregung kalte Hände gibt es heißen Tee und aufmunternde Worte. Ein Hündchen ist auch dabei, es bekommt Wasser und darf nochmal raus. Zwischendurch verschwinden nach und nach alle in der Maske, werden verkabelt und genauestens instruiert. Die Atmosphäre ist herzlich und warm und es wird kein Unterschied gemacht zwischen unbekanntem Gast, Prominentem oder Begleiter. Zumindest fühlt es sich so an und das tut gut.

Alle Fotos: Mildi

 

Unter Scheinwerfern

Im Studio werden zunächst Trockenübungen gemacht, nettes, lockeres Geplauder, bevor es gleich ernst wird. Ich bekomme einen Stuhl für mich in der zweiten Reihe zugewiesen, direkt hinter meiner Freundin. Sie wird wissen, dass ich in ihrer Nähe bin, auch wenn sie mich nicht sieht. Für das Hündchen ist auf dem Sofa Platz, es steht für alle außer Frage, dass es auch mit dazu gehört.

Der Moderator scheint gut vorbereitet und wirkt ehrlich interessiert. Er schafft es, eine Verbindung herzustellen zwischen allen Gästen und auch dem Publikum, das bis zu einem Jahr auf die begehrten Karten warten musste. Ich bin überrascht, vor meinem inneren Auge sah ich eine steife Podiumsdiskussion in exponierter Position, bohrenden und beurteilenden Blicken des Publikums ausgesetzt, der ich mich persönlich nie hätte stellen wollen. Von hier hinten ist es aber, als würde man durch ein Fenster in ein fremdes Wohnzimmer sehen und gute Bekannte bei einer lockeren Unterhaltung belauschen. Souverän meistert meine Freundin die Situation und ich bin irre stolz.

Die Fahrt zurück ins Hotel geht viel schneller als auf dem Hinweg, die Anspannung hat sich gelöst und wir haben uns immer noch so viel zu erzählen. Eine ganze Weile sitzen wir noch im Restaurant, das Essen ist grandios, die Stimmung auch, Fotos werden gezeigt und die Gespräche von leiser Musik begleitet. Der Redakteur hört sich aufmerksam auch meine Geschichte an.
Es dauert lange, bis wir in den Schlaf finden.

 

Was bleibt

Auf der Heimfahrt denke ich über diese Erlebnisse nach, über die Begegnungen, über all die Momente, die wir miteinander und mit anderen in Verbindung waren, achtsam, wertschätzend und auf Augenhöhe.
Nicht nur für uns Bindungsträumer eine tolle, lohnenswerte Erfahrung.

Mildi