Katja Seide & Danielle Graf & Günther Jakobs: „Baby ist da“
Geschwistereifersucht ist schon Thema, noch bevor es überhaupt ein zweites Kind in unserem Leben gibt: Wir sorgen uns, wie das alles werden soll zu viert. Für uns selbst, mit den Terminen und Verbindlichkeiten, mit den Alltagabläufen, dem Schlafen – und vor allem für unser erstes Kind, das dann großer Bruder oder große Schwester wird.
Texte, die uns Erwachsenen helfen, den Fokus richtig zu legen und unser Bestmöglichstes zu tun, damit unser erstes Kind sich sicher und geliebt fühlt (ohne Garantie, dass die Eifersucht nicht doch doll durchschlagen wird), gibt es viele; Kinderbücher, die einen beziehungs- und bedürfnisorientierten Blick haben und den Alltag realistisch, aber doch kindertauglich und auch noch warm zeigen, eher wenige. Oft sind sie für mich sehr „zeigefingerig“, theoretisch irgendwie. Man fühlt nicht mit bei der Lektüre.
Heute durfte ich endlich das Buch „Baby ist da“ von Katja Seide und Danielle Graf, illustriert von Günther Jakobs (Beltz Verlag) lesen und anschauen. Und dabei sind bei mir viele Emotionen und Erinnerungen hochgekommen.
Auch wir hatten uns beim ersten Kind total clever gefühlt, als es großer Bruder werden sollte – mit dem Ansatz „Dann übernimmt der Papa mehr beim Großen!“, und damit haben wir auch schon vor der Geburt unserer Tochter angefangen. Tiptop vorbereitet (wie es ganz viele machen)!
Es lief auch gut, als ich im 8. Monat eine Woche in die Klinik musste. Der Große schlief sogar besser durch mit Papa als mit meiner üblichen Begleitung.
Aber dann
Doch wir hatten die Rechnung ohne das Baby gemacht. ALLES WAR ANDERS. Wir haben versucht, dem „großen“ Sohn (damals auch erst 20 Monate) viel Zuneigung zu geben – jeder von uns. Tagsüber zusammen oder im Wechsel. Das lief ganz prima. Er liebte das Baby, achtete immer peinlich genau darauf, dass wir es nicht vergaßen, wenn wir das Haus verließen.
Doch abends, wenn ich das Baby in seiner Schreizeit begleitete und immer wieder stillte, half alles nichts: Papa war kein akzepabler Begleiter, um den Großen in den Schlaf „zu sichern“. Mama. MAMA. MAAAMAAAAA! An einem Abend schrie er, bis er sich übergab, obwohl der Papa liebevol zugewandt bei ihm war.
Schlimm! Und gut. Danke, dass wir lernen durften. Ab da übernahm ich, zur Not mit Baby. Irgendwie ging’s. Und das war ein irrer Schritt, der fast sämtliche Eifersucht und Unsicherheit verbannen konnte. So simpel!
Noch besser vorbereitet
Mit „Baby ist da“ sind Eltern aber noch besser vorbereitet, denn sie erfahren, wie schnell ein Kind sich aus dem Blick geraten fühlen kann wegen vermeintlicher Kleinigkeiten. Sie sehen, dass es unter Umständen nicht egal ist, welche Bezugsperson sich in dem Alter kümmert. Und sie lernen, dass das mögliche auffällige Verhalten ihres großen Kindes keine Böswilligkeit ist, sondern ein Hilferuf. Seht mich! Helft mir! Ändert was!
Bilder und Text vermitteln das behutsam, aber doch klar.
Seit ich Danielle und Katja lese, empfinde ich das als ihren Schwerpunkt, und sie machen es wundebar: den Eltern entwicklungspsychologische Zusammenhänge ganz simpel erklären, Bewusstsein und Verständnis schaffen und mit alten Märchen und Glaubenssätzen aufräumen! Manchmal sind es echt nur kleine Dinge die man mal anders anschauen und dann angehen muss, die sooo viel tun können. Und am Ende wächst daran unsere Beziehung – und das Kind selbst.
Große-kleine Leser
Auch die mitlesenden Kinder profitieren von dem Buch natürlich, und da auf ganz verschiedenen Ebenen:
- Liebevolle Elemente in den Illustrationen machen warme Gefühle, kleine Details bringen einen zum Schmunzeln – verschiedene Emotionen erleben zu können, holt Kinder (wie auch uns Große) so sehr ab und in die Erzählung hinein.
- Der in Wut oder Verzweiflung bemalte Fuchs ist herzig, kann Liebling werden (Anm. d. Red.: Ich will ein Kuschektier davon!) und ist Suchobjekt auf allen Seiten.
- Und vor allem das dargestellte und beschriebene Gefühlswirrwarr des Kindes Toni – ein Protagoist, der Junge oder Mädchen sein kann – tut dem lesenden Neugeschwisterkind sicher gut: Ich bin nicht allein mit Wut, Angst, Einsamkeit, Verwunderung, Eifersucht, Neid, meinen Bedürfnissen und Wüschen. Wie gut! (Denn wie gut tut es auch uns selbst, wenn wir hören der lesen, dass wir mit einem Problem oder eine Sorge nicht allein sind? Das geht allen so!)
Ihr könnt mit Euren Kindern im Rahmen der Wärme dieses Buches ins Gespräch kommen, herausfinden was sie bewegt, was Ihr vielleicht noch anders machen könnt. Und: Ihr könnt für Euch selbst anhand der Geschichte und auch mit Hilfe des Nachwortes einen guten Weg finden – EUREN Weg finden im Umgang mit Geschwistereifersucht – die eigentlich auch „Bindungssicherheitssuche“ heißen könnte.