19 Mrz

Ein Ding statt Mama oder Papa??

Ein „Übergangsobjekt“ hat manchmal keinen guten Ruf unter beziehungsorientierten Eltern. Immer wieder begegnet mir der Blick, ein Gegenstand, der dem Kind mitgegeben wird, um im Kindergarten oder auch zu Hause in der Nacht besser zurechtzukommen, sei doch eigentlich irgendwie eine Gemeinheit und schlecht. Schnuller statt Brust, Teddy statt Papas Hand, Halstuch statt Mamas Arme? Was ist da dran?

Ich blicke in die Bindungstheorie und habe auch mit einem Psychologen gesprochen. Denn das Thema ist eine Gratwanderung.

Sicher gebunden bedeutet simpel gesehen, ein Kind hat mindestens eine feinfühlige, zuverlässige Bezugsperson, auf die es sich verlassen kann und kommt irgendwann an den Punkt, wo diese Person nicht mehr anwesend und sofort greifbar sein muss, um die Sicherheit zu spüren. Das Kind trägt die Sicherheit dann in sich selbst, kann sich auf sich verlassen und ggf. auch eine Beziehung zu einer anderen Person knüpfen, um sich ein Netz zu bauen und eine herausfordernde Situation zu meistern. Es gibt also Punkt A , an dem die Person noch anwesend sein muss, und Punkt B, an dem sie nicht mehr da zu sein braucht. Der Weg dahin ist ein Loslassen und Andocken, Ausprobieren und Nähe suchen. Und diesen Weg beschreitet ein Kind nicht über Nacht. Es ist ein Prozess.

Und das Übergangsobjekt?

  • Das kann auf diesem Weg helfen. Es kann sich anfühlen, als stecke ein Stück Mama oder Papa – ein Stück Sicherheit – darin, tragbar, zum Mitnehmen. Wie gut. Dann hilft es auf dem Weg. Es unterstützt das Kind dabei, im Kindergarten, bei der Spielverabredung, im Turnverein, in der Schule, bei den Großeltern, tagsüber in Phasen allein zu Hause, nachts im eigenen Bett…sicherer zu sein als ganz allein. Und es unterstützt dabei, die Ablösung von der Bezugsperson zu schaffen.

Und das ist gut! Nicht kritisch. Der Psychologe Christian Bock sagt: „Ich sehe die Bedeutung ähnlich wie die des Spiels: Das Kind verarbeitet durch die Interaktion mit Objekten das Erlebte und kann so akzeptieren und sogar Bindungen stärken. Als Eltern können wir nicht zu jeder Sekunde präsent sein und so kann z.B. das Kuscheltier übergangsweise Halt geben, ihn aber doch niemals ersetzen.“ Und genau das kann es sein: eine gute Hilfe, eine Brücke. Kein Ersatz.

Auch  Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Julia Theeg sieht es so positiv: „Bei sicherer Bindung erinnert das Übergangsobjekt an die Bezugsperson. Es visualisiert die Sicherheit spielerisch und kindgerecht. Das ist eine tolle Hilfe bei der Autonomieentwicklung.“

Und damit sind wir bei der Problematik:

  • Hat das Kind keine verfügbare Bezugsperson, weil die Eltern nicht feinfühlig, nicht verlässlich, aus irgendeinem Grund nicht im Stande sind, die Bindungssicherheit zu geben, dann kann ein Übergangsobjekt nur ein Ersatzobjekt sein. Ersatz für Beziehung. Es gibt keinen Punkt A, keine Sicherheit bei der Bezugsperson, und damit auch keine Übergangsmöglichkeit zu einem Punkt B. Das ist selbstverständlich ein Problem.

Doch hat dein Kind gute Beziehungen, so ist ein Übergangsobjekt eine tolle Sache, die du nicht verhindern und schlechtreden solltest. Julia Theeg empfiehlt, ganz auf das Kind zu hören: „Wir sollten unserem sicher gebundenen Kind vertrauen. Es kann sich selbst etwas aussuchen und mitnehmen, und es wird das Objekt auch irgendwann selbst wieder loslassen.“

Wenn wir Eltern da eine Abneigung spüren, sollten wir mal bei uns hinschauen: Was stört denn an dem Ding?

Dipl.-Psych. Christian Bock fasst es so zusammen: „Ist es unser Wunsch,omnipräsent‘ zu sein, sodass Übergangsobjekte nicht nötig sind? Oder streng gesagt: Geht es hier um unser Bedürfnis, unersetzbar zu sein, und nicht um das des Kindes, das eine unterstützte Loslösung für seine gesunde Entwicklung braucht?“

Dann sind wir vielleicht ein wenig Entwicklungsverhinderer. Das kann passieren, wenn wir selbst nicht sicher sind, Ängste haben, Druck spüren, vielleicht ein Thema haben mit dem eigenen Selbstbewusstsein. Spürst du das? Dann kannst du (mit Hilfe) daran arbeiten, um deinem Kind eine gute Balance aus Nähe und Loslassen geben zu können.

Die Gefahr eines Ersatzobjektes

Fehlt einem Kind Beziehung und wird ein Ding nicht zum Übergangs-, sondern zum Ersatzobjekt, gibt es den psychoanalytischen Blick, dass eine wichtige frühkindliche Entwicklungsphase unzureichend gut bewältigt wurde, was zur Folge haben kann, dass es auch im weiteren Lebensverlauf zu Problemen und ähnlichen Abläufen kommen kann. Die Bindungstheorie sieht da im Grunde ähnliches: Fehlte Beziehung und wurde diese Leere durch anderes ausgeglichen, kann diese ungute Strategie bleiben. Süchte oder Zwänge sind denkbare Folgen.

Ist das die Angst, die manche Eltern rund um Objektbeziehungen haben? Ist das deine Sorge? „Wenn ich nachts den Teddy gebe anstatt selbst beim Kind zu bleiben, lasse ich mein Kind allein und es wird auch später eher Dinge wählen anstatt sich auf Menschen zu verlassen!“ Da ist der Gratweg. Hier kommt es aufs Alter, den Entwicklungsstand und die gemachten Erfahrtungen deines Kindes an. Schau hin: Sind Beziehung und Bindungssicherheit grundsätzlich da? Dann darf ein Ding gerne helfen.