29 Mrz

vErWöHnEn – ja oder nein?

Die Vertreter*innen der Bindungsorientierung rufen gerne: „Verwöhn dein Kind, wann immer du magst!“ Die eher konservative, autoritäre Gegenseite sagt: „Niemals Verwöhnen! Sonst hast du am Ende eine Kinderdiktatur zu Hause!“

Es ist wichtig, genau hinzuschauen: Was ist denn Verwöhnen? Was macht das aus? Wann ist es okay? Kann es auch schlecht sein? Wir klären das, damit du sicherer wirst und die richtigen Argumente an der Hand hast bei unberechtigten Vorwürfen.

Es gibt schönes Verwöhnen. Für Kinder und auch für Erwachsene. Dann wird uns etwas Gutes getan, das wir genießen können. Das uns den Moment ein bisschen erleichtert und verschönert. In Bezug auf Kinder kann man gar nicht konkret sagen, was das ist: Mit 4 Jahren noch Tragen? Mit 6 noch im Familienbett schlafen? Mit 8 noch den Ranzen tragen beim Abholen? Das kann alles ganz wunderbares Verwöhnen sein. Nicht schädigend. Aber es kann auch schlechtes Verwöhnen sein.

Schlechtes Verwöhnen

Was genau kritisches Verwöhnen ist, lässt sich genauso wenig an konkreten Beispielen festmachen. Dafür muss man die Situation des Kindes und der Familie immer im Ganzen betrachten:
Verwöhnen ist schlecht, wenn es das Kind nachhaltig in seiner Entwicklung behindert.
Wenn ich mein Kind immer trage und es nie die Möglichkeit hat, seine motorischen Fähigkeiten auszuprobieren, wäre es keine gute Sache. Wenn ich darauf bestehe, dass es im Familienbett schläft, obwohl es gerne ausprobieren würde, wie das Schlafen alleine funktioniert, wäre das nicht gut. Und wenn ich jeden Tag den Ranzen und auch alles andere trage, könnte es sein, dass mein Kind seine Rückenmuskulatur nicht gut stärken kann.
Es wird ganz deutlich: Niemals geht es um den einen Moment! Sondern um eine Grundhaltung, die dahintersteht.
Bei den oben aufgeführten Beispielen stellt sich gleich die Frage: Warum sollte ein Elternteil das tun? Und damit kommen wir gleich zu einem der Knackpunkte: Denn wenn man genau hinschaut, macht man das schlechte Verwöhnen meist für sich, nicht wirklich fürs Kind.
Vielleicht trage ich mein Kind immer, weil ich eine große Angst vor Verletzungen habe und mir das Sicherheit gibt. Vielleicht will ich, dass es immer im Familienbett schläft, weil es mir lästig ist, doch mal nachts durch die Wohnung tigern zu müssen.  Vielleicht nehme ich meinem Kind immer alles zu Tragende ab, weil mir das als Kind gefehlt hat und ich mit dem Thema nicht gut abgeschlossen habe.
Oft liegen Unsicherheiten hinter ungutem Verwöhnen und das Verwöhnen gibt uns Erwachsenen Sicherheit. Manchmal nur eine vordergründige: Ich sorge dafür, dass es meinem Kind gut geht, dass ihm nichts passiert, dass es glücklich ist und nicht schimpfen muss. Ja, das kann ich versuchen abzusichern – aber ich verpasse damit die Chance, mein Kind abzusichern durch Bewältigungskompetenz. Es kann sich mir nur anpassen, meine Vorgaben hinnehmen, aber nicht selbst aktiv werden, nicht scheitern und wiederaufstehen. Es kann nicht lernen. Und vielleicht wird es irgendwann explodieren!
Manchmal geht es auch so weit, dass ich mit meinem verwöhnenden Verhalten unterbewusst dafür zu sorgen versuche, dass mein Kind mich liebt. Dann steckt wirklich ein großes Thema dahinter, das mit meinen Erfahrungen, meinem Selbstbewusstsein, meiner Selbstliebe zu tun hat. Das zu erkennen, kann furchtbar schmerzhaft sein und ist meist nicht allein zu bwältigen – mit Hilfe aber schon.

Zum Mitnehmen

So lautet das Resümee:
Verwöhnen ist schlecht, wenn es das Kind nachhaltig in seiner Entwicklung behindert. Sonst nicht! Eigentlich ganz einfach.
Hier musst du hinschauen, wenn du selbst nicht sicher bist oder kritische Stimmen kommen, die du abwägen und gut beantworten möchtest.
Nähe zu geben, wenn ein Kind signalisiert, dass es sie möchte, ist ein gutes Verwöhnen oder sogar einfach nur das richtigem feinfühlige Reagieren. Nähe und Hilfe zu geben, wenn das Kind eigentlich losgelassen werden und sich ausprobieren möchte, ist hinderlich und ungut. Meist ist es gar nicht so schwer, das festzustellen.
Ein wichtiger Reminder dazu noch: Wenn du mal etwas eher schlecht Verwöhnendes tust, weil es gerade so nett ist oder weil es dir als Mama oder Papa gerade gut tut, ist auch das nur situativ und keine Grundhaltung, die dem Kind langfristig etwas verbaut.
Alle Fotos im Beitrag:
Fee Ronja Schineis-Brönner 
www.diewölfin.de