19 Jul

Flagge zeigen?!

Stellt Euch einen Weg vor, vielleicht einen Gratweg oben auf einem Berg. Ein bisschen ausgebaut und gesichert vom örtlichen Wanderverein, so dass es etwas Platz gibt, auch mal links oder rechts zu gehen – aber dann geht es steil bergab. Hier und da könnte man noch entlang und etwas klettern, aber an den meisten Stellen fiele man böse in die Tiefe.

Dort läuft Euer Kind. Ihr geht dahinter oder sitzt an einer Stelle und macht ein Päuschen. Euer Kind ist fit und satt und wach und probiert sich aus. Ihr kennt es und lasst das Experimentieren zu. Nach und nach wird das Ausprobieren aber riskanter, das Kind wird müde und unkonzentriert, hat Durst und stolpert.

Wie reagiert Ihr?

Wenn Ihr rechtzeitig dazustoßt und erklärt, was gefährlich ist, wenn Ihr frühzeitig für eine Ruhe- und eine Picknickpause sorgt, wird die Situation sich sehr wahrscheinlich entspannt weiterentwickeln. Euer Kind wird wieder in der Wegesmitte oder am noch ungefährlichen Rand bleiben. Es wird verstehen, was zu gefährlich ist. Es wird sich gesehen und begleitet fühlen.

Träge? Schlechter Tag? Zu spät dran?

Seid Ihr aber lustlos, träge, selbst müde, habt schon den halben Tag Diskussionen mit einem der anderen Kinder oder dem Partner oder mitwandernden Freunden geführt und reagiert nicht gleich, dann werdet Ihr irgendwann hinspringen müssen, um das Kind im letzten Moment mit heftiger Kraft zurückzuziehen. Oder Ihr werdet laut, sauer, brüllt, motzt.

Kein Platz mehr für Erläuterungen, keine Zeit für eine Bitte um Kooperation, Verständnis, Empathie. Trotzdem wird auch hier das Kind zur Wegesmitte zurückgebracht, aber mit einem schlechten Gefühl auf allen Seiten, vielleicht mit schmerzenden Stimmbändern und gezogenem Arm.

Das kann immer passieren! Niemand ist immer gleich kraftvoll, wach, fit, merkt immer rechtzeitig, wann es noch ein guter Moment zum Eingreifen ist. Jeder gerät mal in diese Situation. Und eine gute, grundlegende Bindung hält das immer aus, wenn es nur diese Ausnahmen sind. Da verletzt ein Brüllen nicht gleich die Seele.

Wo liegt die Ursache?

Der Punkt ist die Frage danach, was die Ursache war. War das Kind heute wieder mal ein „Teufel“? War das Kind heute wieder mal so schräg drauf und wollte nur provozieren? Konnte das Kind uns wieder mal nicht 5 Minuten in Ruhe lassen und musste immer im Mittelpunkt stehen, brauchte unsere Aufmerksamkeit?

So mag es sich anfühlen. Aber egal, ob am Wanderweg, im Supermarkt oder beim Zähneputzen: wenn wir abgewägt haben, dass das Kind in einer Situation steckt, die kein weiteres Links und Rechts vom Weg mehr erlaubt, die ein Nein braucht, dann ist es an uns, Flagge zu zeigen, eine zugewandte, ehrliche „Ansage“ zu machen, möglichst unsere Beweggründe zu erläutern und RECHTZEITIG einzugreifen, zu regulieren. Wenn wir dazu durch einen (oft nachvollziehbaren) Grund nicht in der Lage waren, ist niemand daran Schuld, aber einer der Verursacher: WIR!

Nicht das Kind.

Unsere Kinder brauchen liebevolle und klare Eltern

Bleibt konsistent, zeigt Euch, steckt Euren Rahmen (gut überlegt) ab, helft Euren Kindern frühzeitig – und schiebt ihnen Eure schlechten Tage, Eure mal aufkommende Trägheit, Euer Handeln nicht in die Schuhe.

Ihr seid die Großen. Ihr seid das Nest und die helfende Hand. Und könnt Ihr dies länger nicht sein, sucht Euch ein Netz, fragt nach Hilfe. Stempelt nicht die Kinder ab und versucht sie zu manipulieren. Beim Schlafen, Essen, „Artigsein“. Sie wollen kooperieren. Sie müssen sich nur wohl fühlen und klar wissen, wer ihr Gegenüber ist und wieso er was braucht.

IH