Ich bin hier und fühle was! – Mit Kindern über Gefühle und Selbstwahrnehmung sprechen
Gemeinsames Lesen schweißt zusammen, weil es so schöne Momente kreiert. Aber Bücher können noch viel mehr: Man reist als Team im Kopf durch die Geschichten, begegnet neuen Wörtern, erkennt sich vielleicht wieder, stößt auf Fragen, die man stellen mag und vieles mehr.
Der Tyrolia-Verlag hat uns auf unsere Bitte hin drei besondere Bücher zugesandt, die solche Eltern-Kind-Momente ermöglichen und die kleinen Menschen dabei unterstützen, sich selbst in der Welt zu positionieren sowie formulieren zu können, was sie fühlen , was sie brauchen, was sie stört. – Diese Geschichten möchten wir Euch ans Herz legen, weil sie auf verschiedene Arten anregen, mit Euren Kindern zu sprechen und sie zu stärken.
„Wo bin ich?“
„Wo bin ich?“ von Heinz Janisch und Isabel Pin (Illustrationen) ist für die Kleinsten ab etwa zwei Jahren gedacht: sie lernen Gegensätze kennen, lernen einzuordnen und sich zu orientieren – aber im Grunde erfahren sie auch viel über Geborgenheit, sich sicher fühlen und sich auf dieser Basis in die Welt hinaus zu trauen. Besonders wenn Ihr als Vorlesende die Geschichte zum Anlass nehmt, die alltäglichen Wege, das Flügel nutzen und in die Welt marschieren anzusprechen.
Die Illustrationen sind alles andere als überladen: Sie sind klar und gefühlvoll, gut auf Kinder dieser Altersgruppe abgestimmt. Nicht nur den Eisbären, sondern auch seinen Gummiflamingo und weitere Tiere kann man durchs ganze Buch verfolgen, vor- und zurückblättern und sich eine Weile mit Kind darin verlieren.
„In mir drin ist’s bunt“
Etwas ältere Kinder etwa ab vier Jahren haben sicher Freude an „In mir drin ist’s bunt“ von Theresa Bodner. Schon der Titel macht ja Lust auf mehr und kann Kinder im Gespräch dabei unterstützen zu sehen, dass alle ihre Facetten okay sind und dazugehören. Nervös oder mutig, beschämt oder neugierig, ängstlich oder zufrieden – BUNT BUNT BUNT!
Jede Doppelseite umfasst einen Gefühlsbereich, der mit mehreren fast synonymen Begriffen beschrieben wird. Hinzu kommen jeweils einige typische Sätze, die man in den Momenten braucht oder denkt, wenn die Gefühle in einem aufkommen: Fühle ich mich beispielsweise nervös, mutlos und ängstlich, frage ich mich „Was soll ich tun?“ und denke „Ich brauche dich!“ oder frage „Bist Du da?“
Das heißt, die Kinder lernen beim Vorlesen Begriffe für ihre Emotionen, und wir können über ähnliche Momente in unserem Alltag ins Gespräch kommen. Katharina Saalfrank beschrieb beispielsweise in „Was unsere Kinder brauchen“ (GU-Verlag) dieses Sprechen und Worte geben für Gefühle als eine der wichtigsten Grundlagen, damit sie Wut, Frust, Trauer, Freude, Angst und so vieles mehr einschätzen und uns erklären können, und auch die Forschung rund um kindliche Aggression besagt, dass das Erkennen und Benennen der Gemütszustüände die wichtigste Grundlage für einen gesunden Umgang damit ist. Daher ist ein derartiges Buch so hilfreich!
Begleitet wird alles von bunten, aufwendigen Collagen aus der Vogelwelt, die selbst schon Emotionen mitbringen. Und wenn die Augen länger verweilen, erkennen sie bezaubernde Details.
„Rosie auf dem Baum“
Für das gleiche Alter ist „Rosie auf dem Baum“ von Isabel Pin gedacht. Ich habe in der Geschichte nicht nur viele Kinder und Themen aus meinen Beratungen erkannt sowie etliche typische Elternthemen und -floskeln, sondern auch eines meiner Kinder: autonom, mutig, selbstbewusst, hinterfragend!
Rosie klettert zu Beginn aus einen Baum, einfach aus lauter Lebensfreude und Spiellust. In der Folge begegnet sie Geschlechterklischees, manipulativen Erziehungssätzen und Drohungen. Doch sie bleibt sie selbst, lässt die Drohgebärden an sich abprallen und hinterfragt die „man macht das so“s der anderen. (Mein Kind kletterte auf die Schulhofsmauer und war durch die Lehrkraft nicht hinunterzubewegen, weil diese nicht schlssüg erklären konnte, warum dies nötig sei.)
Erst als andere beginnen, mit Rosie in Beziehung zu gehen und interessierte Fragen zu stellen, öffnet sie sich. – Wir Eltern können ins Gespräch darüber gehen, was Rosie tut und wie man ihr begegnet sowie außerdem beim Vorlesen mit unseren Kindern die schönen Aquarelle bestaunen und liebevolle Details entdecken.
Die Erzählung erinnert hier und da an „Machtgeschichten“von Anne-Sophie Winkelmann (edition claus Verlag): Beide Bücher machen Kinder stark gegen Macht und schwarze Pädagogik, gegen simples Hinnehmen und Befehle ausführen, gegen Manipulationen durch die Großen. SO WICHTIG!
Lesezeit
Schaut mal, welches Buch für Euch passen könnte. Freude und Impulse ohne Zeigefinger bringen alle drei. Die Bindungsträumer wünschen eine gute Lesezeit!
IH
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