Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim: „Wow Mom 2 – Der Mama-Mutmacher. Für mehr ich in all dem Wir“
Den Eltern, die ich im Babyjahr begleite und berate, empfehle ich auch immer Literatur – aber nicht nur rund ums Baby (Schlafen, Essen, Spielen, Krankheiten…), sondern auch für sich selbst. Denn das Ankommen in der Mutter- oder Vaterrolle ist ganz sicher nicht mit der Geburts des Kindes einfach erledigt – und das Behalten der Rollen, die man außerdem noch hatte (Ich!, Teil einer Partnerschaft, Freundin…) ist eine Herausforderung. Dafür gibt es so manche Bücher: lustig oder ernsthaft, voller Tipps oder voller Reflexion. Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim vom Blog Stadt Land Mama haben 2019 ein besonderes, wunderwunderschönes Buch für diese Zeit veröffentlicht und jetzt den Nachfolger vorgelegt: „Wow Mom 2 – Der Mama-Mutmacher. Für mehr ich in all dem Wir“ erscheint heute, am 28.10.2020, ist in unglaublich kurzer, fordernder Zeit entstanden (Corona-Frühjahr – vermutlich haben die Autorinnen nach dem Kinderbetreuen und Homeschoolen einfach nicht mehr geschlafen!) und steckt so wahnsinnig voll mit hilfreichem, lustigen und ehrlichen Input, dass wir es aus Bindungsträumer-Sicht allen Mamas sehr ans Herz legen möchten.
Ich habe Lisa Harmann interviewen dürfen:
Inke: Zum ersten Wow Mom Buch habe ich in meinen Elternkursen so viel positives Feedback bekommen. Das Buch hat Müttern wirklich Mut gemacht und alles etwas leichter werden lassen. Besonders gut kam immer allein schon das ausgemalte, sehr energiegeladene Mandala an…das konnte man so mitfühlen! Ihr habt die Leserinnen offensichtlich genau da abgeholt, wo sie stehen. Was war das schönste Feedback, dass Du gehört hast?
Lisa: Oh, da gibt es mittlerweile so unglaublich viele schöne Feedbacks. Immer noch erreichen uns fast täglich Dankesmails. Besonders gerührt waren wir von einer Mama, die sagte, sie habe schon beim Inhaltsverzeichnis geweint, mal all die Emotionen aus dem ersten Jahr mit Baby schwarz auf weiß zu lesen und dass da neben all dem Glück und Stolz eben auch Wut und Verzweiflung dazugehören. Sehr berührt uns auch, wenn uns Frauen schreiben, das Buch hätte ihnen wie eine verständnisvolle beste Freundin beigestanden. Eine schrieb uns neulich: „Wenn ich verzweifelt bin, unsicher, ängstlich, müde, wütend, einsam, über- und unterfordert, aber auch dankbar, verliebt, stolz und glücklich, dann kann ich jetzt in euer Buch schauen und es geht mir besser, weil ich mich so verstanden fühle. Danke dafür.“ Mehr kann man sich als Autorin eigentlich nicht wünschen, oder?!
Nein, das klingt wirklich großartig, und so ähnlich waren die Rückmeldungen in meinen Kursen ja auch. – Ich finde ja, das Buch kann auch sehr gut von den Papas gelesen werden, zumindest um die Themen der Mütter zu verstehen. Gab es auch Rückmeldungen von Vätern?
Wenig! Tatsächlich haben wir WOW MOM ja als erstes Buch konzipiert, das sich ausschließlich mit der Mama beschäftigt. Es gibt keine Baby-Bauchwehtipps oder Breirezepte, sondern pure echte Muttergefühle. Für ein Kapitel haben wir drei junge Väter zusammengesetzt und sie erzählen lassen, wie sie ihre Frauen nun als Mütter wahrnehmen. Das aber eher aus dem Grund, dass auch Frauen sich besser in die Väter hineinversetzen können. Denn auch für sie verändert sich ja das Leben durch ein Kind. Die Gefühle von Müttern, die ihren Bauch für einen neuen Menschen hergeben, voller Hormone in der Rückbildungsgymnastik sitzen und vorerst aus dem Job rauskatapultiert werden, sind aber eben besonders im ersten Jahr nicht wirklich vergleichbar mit denen von Vätern. Trotzdem haben uns einige Leserinnen verraten, dass ihre Männer auch immer wieder reingeschaut haben und danach meinten, sie wären jetzt beruhigt, dass nicht nur bei ihnen auch mal ein absolut emotionaler Ausnahmezustand herrscht.
Jetzt ist der Nachfolger da: „Wow Mom – Der Mama-Mutmacher. Für mehr Ich in all dem Wir“. Herzlichen Glückwunsch! Ich persönlich schätze schon den Untertitel sehr, weil in meinen Familienberatungen zwar immer öfter beide Elternteile sitzen, aber tatsächlich die Hauptlast der Erziehungs- und Alltagsarbeit immer noch auf Mütterrücken lastet und diese Frauen so oft von außen bzw. in dem Fall von mir hören müssen, dass das Ich in dem Wir nicht irgendwas ist, sondern die Basis! Sonst läuft nichts. Bei mir landen aber ja nur Familien, die schon spüren, dass es irgendwo hakt. Wie ist Eure Erfahrung da ganz allgemein über Euren Blog „Stadt Land Mama“, der ja schon seit 8 Jahren existiert: Verändert sich da was? Können Mütter schon besser auf sich achten als 2012? Übernehmen Väter von sich aus mehr Familienarbeit?
Danke für die Glückwünsche. Und ja, wir glauben schon, dass sich da etwas bessert. Aber wir sehen trotzdem, dass es noch lange nicht genug ist! Und gerade jetzt nach einem Jahr unter Corona-Bedingungen halten wir es für essentiell wichtig, dass Mütter für sich und ihre Bedürfnisse einstehen, um nicht komplett unterzugehen in all der Fürsorge und den Anforderungen des Familienmanagements. Und du sprichst in deiner Frage ja bereits zwei wichtige Punkte an. Familien, die zu dir kommen, haben ja bereits erkannt, dass der Schuh irgendwo drückt. Viele Frauen, die aus der Brut- und Aufzuchtsphase ihrer Kinder wiedererwachen, müssen ja überhaupt erstmal wiedererkennen, was ihnen überhaupt gut tut. Was ihren Akku nur noch mehr runterfahren lässt und was ihnen wieder aufladen könnte. Auch dazu wollen wir mit unserem Buch Anregungen geben. Und motivieren, dass wir auch mal nur an uns denken dürfen. Nicht immer nur im Außen leben, sondern auch in uns reinzuhorchen, was da noch schlummert. Was wir an Gutem aus unserem Vor-Mama-Ich mit rübergerettet haben in die neue Welt und wie wir das mit dem besten unserer Mutterschaft verbinden können, um die beste Version unserer selbst zu sein. Das klingt jetzt esoterischer als es sein soll. Ich zum Beispiel melde mich zur Karnevalszeit als Mutter zu Hause ab und nehmen wir diese Auszeit bewusst, um mal wieder mit Leichtigkeit und ohne Verantwortung durchs Leben zu tingeln. Davon profitiere ich jedes Jahr wochen- wenn nicht gar monatelang. Und da weiß auch die ganze Familie, dass mir das heilig ist und lässt nichts dazwischenkommen.
Im Bullshit-Bingo gibt es den Punkt „Wir haben das doch früher auch geschafft.“ Das kenne ich auch gut: Eltern wird ein schlechtes Gewissen gemacht, wenn sie Ratgeber kaufen, Kurse besuchen, Coachings angehen. Gerne von der Großelterngeneration. Ich kämpfe sehr dafür, dass dieser Blick, „Hilfe suchen sei ein Scheitern“ umgemünzt wird, denn für mich ist es stark, Hilfe zu suchen. Glaubst du, diesen Blick können Eltern heute schon recht gut und selbstbewusst einnehmen?
Da sind wir absolut auf einer Linie. Hilfe suchen IST Stärke. Wer weiß, wo er sich Hilfe suchen kann, ist immer klar im Vorteil. Und auch, wer zugibt, Hilfe zu brauchen. Oder sich bewusst Hilfe holt. An uns wird heute zudem ein Mütterideal herangetragen, dass wir unmöglich erreichen können. Niemand von uns. Wir können nicht super homeschoolen und super arbeiten und super aussehen und super stylisch eingerichtet sein und super up-to-date, was die neusten Kinofilme angeht. Es geht nicht. Für Mütter ist heute so viel dazugekommen und so wenig weggefallen. Die meisten, mit denen wir zu tun haben, geben einfach dauernd 150 Prozent. Versuchen als Mütter performen, als seien sie den ganzen Tag zu Hause – und auf der Arbeit, als hätten sie keine Kinder. Das KANN auf Dauer nicht funktionieren. Und das ist auch kein Vorwurf an die Mütter, sondern ans System! Ist doch klar, dass das erschöpft. Früher gingen Kinder draußen spielen und kamen in der Dunkelheit wieder. Eine Familie war oft nicht auf zwei Einkommen angewiesen. Das ist heute einfach anders.
Welches der 12 Wow-Kapitel im neuen Buch ist Dein liebstes und warum?
Ohh, das ist eine super schwierige Frage. Ich mag das Sehnsuchtskapitel, in dem ich darüber erzähle, dass ich wohl nicht wieder schwanger sein werde, ich mag das Angekommenkapitel, in dem ich über meine heute 14-jährige Tochter schreibe (ihr Kommentar zum Text: „Ist ja schon n bisschen kitschig, ne?!“), ich liebe aber auch das Liebeskapitel, in dem Katharina über einen ganz besonderen Moment mit ihrem Mann schreibt und eine Leserin erzählt, wie gut ihr ihr heimlicher Verehrer tut und zusätzlich Svenja Struck von Tante Kante erklärt, warum sie sich als verheiratete Zweifachmutter ein WG-Zimmer gönnt, um jedes zweite Wochenende auch mal Party zu machen und richtig in Ruhe katern zu können 😉
Aus welchem Gastbeitrag konntest Du selbst noch richtig viel Neues mitnehmen?
Das kann ich wirklich nicht sagen. Wir haben unglaublich viele persönliche Stücke drin, aber auch wunderbare Gastautorinnen und Expertinnen, wir lieben den Text von Vera Schroeder, in dem sie über die Kinder erzählt, die sie nicht bekommen hat. Wir verehren den Text von Ildikó von Kürthy, in dem sie fragt, ob man sich auch NICHT mehr Ich in all dem Wir wünschen darf, weil sie jetzt schon den Auszug ihrer Söhne fürchtet. Wir vergöttern den Text von Laura Karasek, in dem sie erklärt, wie sie sich mit ihrem ganzen Sein gegen all die Klischees einer Mutter stemmt, mögen aber auch Alina Stiehm (Liebling, ich blogge jetzt), die darüber erzählt, wie sie erst über die Schwangerschaften und Geburten lernte, ihren Körper zu lieben, Marlene Hellene, die darüber sinniert, wie es wäre, wenn plötzlich auffiele, dass sie eigentlich gar nichts kann (was nicht stimmt!), Henrike Voigt (Nieselpriem), die erzählt, wie sie nach der Hochzeit ihren Mann verließ – und dann wieder zu ihm fand. Hach, und dann gibt´s da ja auch noch einen Text von Dir, Inke. Wir könnten ewig so weitererzählen.
In meinem Ratgeber zur Pubertät spüre ich auf, wie sich bindungstheoretisches und entwicklungspsychologisches Wissen am besten umsetzen lässt in beziehungsstarkem Familienleben – das heißt aber nicht, dass ich selbst das immer so hinbekomme, wie es ideal wäre. Wie sehr schaffst Du es, für Ich im Wir zu sorgen?
Ha! Für uns ist das Schreiben immer auch eine Art Selbsttherapie. Als ich 2010 anfing, mit meinem Mann zu bloggen (das Blog gibt´s leider nicht mehr, weil 2012 Stadt Land Mama dazukam und schnell so groß wurde), war der Grund vor allem auch, dass wir dachten: Wenn wir schon all diesen Wahnsinn mit drei kleinen Kindern erleben, dann soll bitte wenigstens mindestens ein weiterer Mensch drüber lachen, damit das alles noch mehr Sinn macht. Und das hat vor allem uns gutgetan. Besonders schön war auch, mal zu sehen, wie eigentlich der jeweils andere die Situation gesehen hat. Es hat dem Ganzen eine wunderbare Leichtigkeit gegeben. Und ja, auch wir könnten noch mehr Ich in all dem Wir wagen! Ich hatte das Gefühl, vor Corona auf einem RICHTIG guten Weg für mich zu sein – und dann kam der große Dämpfer, der mir eben nochmal deutlicher machte, WIE sehr ich auch Zeiten nur für mich brauche, um für unsere Kinder die Mutter zu sein, die sie verdienen. Und für mich die Frau, die ich sein will.