25 Feb

Musste das jetzt wieder sein?!

„Wir üben unsere Aufmerksamkeit und unseren Erfindungsreichtum im heimlichen Beobachten des Bösen, wir suchen es überall, spüren es auf, verfolgen es, wollen es auf frischer Tat ertappen, wir sehen Schlimmes voraus und kommen zu demütigenden Verdächtigungen. Ein Kind hat die Tür zugeschlagen, ein Bett ist schlecht gemacht, ein Mantel ist verlegt, ein Klecks ist im Heft. Wenn wir nicht schimpfen, nörgeln wir doch, anstatt uns zu freuen, dass es nur das ist. (…)“ (Janusz Korczak)
Fühlt Ihr Euch ertappt? Ich für meinen Teil kenne das sehr gut. Und kann es nicht an mir leiden. Möchte es gerne loswerden.
Das Verdächtigen und Meckern über allerkleinsten Kleinkram.  Es ist doch verrückt: warum sind wir da oft so kleinlich, warum haben wir immer wieder die Lupe in der Hand, um jede Winzigkeit zu sehen, die unsere Kinder verkehrt machen? Warum müssen wir ALLES erwähnen?

Perfektion. Der Anspruch an „gute Erziehung“. Margarine-Werbungs-Alltag voller Harmonie. Ach, das wäre doch nett.

Immer dieses kleine unbewusste Oberlehrerchen in unserem Kopf, das schon erwartet, dass wieder etwas passiert und das den Kindern bei jeder Winzigkeit, die misslich läuft, verbal auf die Finger haut!

Wo kommt das her? Und wie kommen wir da heraus?

Es wäre so viel leichter

Ja, es wäre so viel leichter, wenn unsere Kinder keine Fehler machten. Wenn wir nicht ständig neben Einkauf, Badputz, Job-To-Do-Listen auch noch zusätzlich heruntergefallenen Biomüll aufsammeln, zerrissene Hosen nähen und zerknickte Bücher ersetzen müssten. Aber: das ist unser Job! Wir müssen lernen, dass diese Parts zum Elternsein dazugehören. Es ist nicht nur wickeln und bespaßen, es ist auch tragen und Begleitung beim Weinen. Es ist nicht nur Welt erklären und zeigen, es ist auch aushalten, helfen, ordnen, anleiten, Fehler ausmerzen und so vieles mehr.

Wie ging es uns als Kindern? Durften wir Fehler machen? Wurde uns zugewandt geholfen? Hat sich ein Erwachsener Zeit genommen, uns zu zeigen, wie wir es wieder gut machen können? Ohne zu schimpfen und Vorwürfe zu machen? Und Schuld zuzuweisen? – Oft war das vermutlich nicht der Fall.

Was passiert da?

Es steckt uns also in den Knochen. Wir müssen uns dessen bewusst werden, damit wir dagegen an arbeiten können.

Denn wir stressen unsere Kinder damit. Und uns. Wir überfordern sie. Und uns. Es wird alles für alle viel leichter, wenn wir uns weniger einmischen. Wenn wir weniger erwarten. Und seltener kommentieren!

Als beziehungs- und bindungsorientierte Eltern sind wir meist schon gut auf dem Weg, nicht zu erwarten, dass unsere Kinder früh durchschlafen, ihre Emotionen früh kontrollieren können, zur Toilette gehen, wenn wir es für passend halten usw. Aber bei ganz banale Dingen sehen wir dies nicht immer.

Dabei ist es doch menschlich, für kleine und große, dass ein Glas nicht immer stehen bleibt, dass eine Jacke irgendwo liegen bleibt, dass ein Heft schnell in eine Tasche gestopft wird und knickt. Genauso ist es menschlich, dass wir eine wichtige Aufgabe vergessen, weil ein Freund anruft, vorm Fenster der schöne Regenbogen zu sehen ist, wir über das Puzzle stolpern, uns daran setzen und an dieser einen schwierigen Ecke hängen bleiben. Wer denkt da noch an die auszuräumende Spülmaschine? An die nassen Badesachen in der Tasche? Das passiert nicht nur Kindern!

Und: wenn wir unseren Kindern mehr zutrauen als unsere Eltern es vielleicht mit uns gemacht haben – sie schnibbeln, sägen, einkaufen lassen -, dann gehört auch dazu, dass wir aushalten, dass sie es eben üben müssen. Da passieren Missgeschicke. Geht es uns so anders, wenn wir mit 27 den ersten Rinderbraten zubereiten, mit 32 das erste Möbelstück  verschönern wollen oder mit 41 Kunstmalerei für uns entdecken? Sehr wahrscheinlich nicht. Es passieren „Fehler“, es gehen Dinge schief.

Wird es kommentiert, beschimpft, geraten wir unter Druck, entwickeln Angst, dass wieder was falsch läuft, dass unser Gegenüber uns wieder anmotzt (oder gar auslacht), gestresst ist – und unsere Beziehung einen Riss erhält. Genauso geht es den Kindern. Irgendwann verlieren sie die Lust oer den Mut, etwas zu tun. Dann wird das Mit- zum Gegeneinander.

Und wie kommen wir da heraus?

Ich glaube, es ist hilfreich, wenn wir uns einen Satz parat legen, den wir in jeder solchen Situation parat haben. Atmen – und dann so etwas wie „Ich iebe Dich“ und „Was wolltest Du eigentlich machen?“ und vor allem „Was können wir tun?“. Denn das ist es doch, worum es geht. Wir lieben uns, wir wollen in gutem Konakt zueinander sein und helfen. Wenn das er erste Gedanke beim Zusammenkommen ist, können wir von da aus weitergehen: was hatte mein Kind vor, wie können wir den Schlamassel gemeinsam beheben, wie kann das zukünftig vermieden werden? Es geht wie immer um LÖSUNG STATT SCHULD.

Was können wir tun?

Nicht: Was hast Du wieder getan?!!

Eine positive Atmosphäre bei Malheuren und bei Vergessenem  fördert das Lernen (und das meint alle Bereiche des Lebens) und die Bereitschaft der Kinder, Missgeschicke zu erkennen und selbst zu überlegen, wie sich dies zukünftig vermeiden ließe.

Unterstützen kann man ein besseres Grundgefühl im Alltag noch durch das in den Blick nehmen der guten Dinge: wenn wir uns beispielsweise jeden Abend auf der Bettkante oder jeden Morgen beim Marmeladenbrot kurz die Zeit nehmen, darauf zu blicken, was schön war, was wir am anderen mögen, was er Tolles kann, verbinden wir uns gut und stärken uns selbst und den anderen.

Und ganz banal: es ist WIRKLICH gut, wenn nur ein Regenschirm vergessen, eine Jacke zerrissen oder ein Teller hingefallen ist, aber unser dafr Kind gesund, glücklich und gut gebunden ist. Misslingen darf uns natürlich ärgern, und das dürfen wir auch zeigen, aber es sollte nie der Fokus sein. Schlecht fühlt sich der andere sehr wahrscheinlich schon von ganz alleine.