26 Feb

„Wackelzahnpubertät“ und Familienregeln

„Kennen Sie das Thema schon?“ fragen mich Eltern oft, wenn Sie zu mir in die Beratung kommen und mir ihre Sorgen geschildert haben. Ja, oft haben Familien ähnliche Konstellationen und verwandte Problematiken. Bei mir vertreten sind besonders Geschwisteriefersucht und -streit bzw. das Verhalten des plötzlich großen Kindes, immer wieder Gefühlsstärke, aber häufig auch „dieses merkwürdige Benehmen im Vorschuljahr – ganz, ganz anstrengend, sag ich Ihnen!“.

Ja, ich weiß, denn die sogenannte „Wackelzahnpubertät“ ist eine Phase, in der wir einem schon ganz schön großen, oft autonomen, willensstarken Kind begegnen, dass schon fleißig Flügel ausbreitet, aber andererseits dann doch wieder Wurzeln suchend keine Treppenstufe mehr gehen kann, wenn nicht wir ihm den Klettverschluss an seinem Schuh schließen.

Was ist denn da los?

Der Kindergarten wird öde, jeder fragt ob man sich schon auf die Einschulung freue, man würde gerne groß sein und gespannt, ist aber vor allem auch aufgeregt und unsicher. Und ist man erstmal eingeschult, wird es auch nicht gerade besser: man darf so viel und man muss nch viel mehr.

Wie in der Pubertät im Jugendalter: nicht Fisch, nicht Fleisch.

Was suchen die Kinder denn?

Unsere 5-, 6-jährigen suchen Reibung, Autonomie, Abstand, Veranwortungsbereiche – und dann doch wieder Nähe. Und was brauchen sie von uns? Und überhaupt: was brauchen wir Eltern, um dem allem gerecht zu werden?

Das alles beleuchtet Laura Fröhlich in ihrem Buch „Wackelzahnpurbetät“ (humboldt Verlag): sie gibt Eltern für diese Phase ihrer Kinder vieles Grundlegendes mit zu Themenbereichen wie Konfliktführung, Erziehung ohne Strafen, Gleichberechtigung von Geschwisterkindern (unabhängig vom Geschlecht), und hat andererseits jede Menge Tipps für die typischen Alltagsmomente gesammelt, die immer wieder zu Konflikten führen. Egal ob ein Kind

  • immer wieder lügt,
  • ständig trödelt,
  • fast nichts essen mag,
  • neurgierige Fragen danach stellt, wo die Babys hekommen,
  • egal ob es plötzliche Wege alleine gehen mag,
  • mit Schulbeginn zum aboluten Chaoten wird,
  • Stress mit Freunden hat
  • oder endlich auch ein Smartphone will

– die Autorin hat zu allem immer wieder sehr faire Ideen.

In Beziehung miteinander

Denn sie sieht beide Seiten: die Eltern in ihren Nöten (Die Zeit drängt! Immer dieses Diskutieren!) und die Kinder in Ihrem Können (Visualisierung kann helfen! Rituale sind sinnvoll!). Das ist durchweg sehr beziehungsorientiert, weshalb wir Bindungsträumer das Buch sehr empfehlen können. Miteinander wird alles angegangen. Experteninterviews unterfüttern ihre Ratschläge mit Hintergrundwissen und Seitenblicken.

In manchen Bereichen rät sie schlicht, sie anzunehmen: die Diskutierfreudigkeit der Kinder beispielsweise. In anderen zeigt sie auf, das etablierte Regeln und Rituale helfen können, immer wiederkehrende Konfliktsituationen ein für alle mal loszuwerden. Gerade diese Aufgabe fällt aber vielen Eltern schwer:

  • Was soll man regeln?
  • Was darf man regeln?
  • Was ist zu viel an Regelwerk?
  • Und wie bekommt man es hin, dass die Kinder die Regeln akzeptieren?

Bindungsorientiert lebende Eltern, die einen Erziehungsstil ohne scharfes Machtgefälle leben, kennen den Gedanken, Regeln quasi demokratisch zu finden – mit den Kindern. Wann immer dies möglich ist. Natürlich gibt es Bereiche, da führt kein Weg dran vorbei wie „Ein offenes Fenster ist kein Spielplatz!“ oder „An einer vielbefahrenen Straße gehen wir auf der Hausseite entlang.“ Aber so vieles andere kann man ungeregelt lassen oder aber gemeinsam entdecken und regulieren:

  • denn wenn man es gemeinsam macht, fühlen sich alle gesehen und können die Regel besser akzeptieren
  • und wenn es geregelt ist, muss es nicht jeden Tag aufs Neue besprochen werden, was allen Familienmitgliedern den Stress nimmt.

Ulrike Leubner „Mit Kinder Regeln lernen“

Das Regelnfinden mit den Kindern kann sehr unterschiedlich aussehen. Ulrike Leubner zeichnet in ihrem Buch mehrere mögliche Wege nach, wie man sammeln kann, was alle brauchen, wie man Kompromisse finden kann, wie man lösungsorientiert streitet, verhandelt und entscheidet.

Ihr Buch richtet sich nicht nur an Eltern, sondern kann auch in Gruppensituationen in der Betreuung oder Kursen sowie in Schulklassen hilfreich sein. Sie erklärt die Gestaltung von Mindmaps mit Kindern bis hin zum Zeichnen von Fahrplänen, Plakaten oder Veträgen. Aus Bindungsträumersicht ist vor allem wichtig, dass die Kinder sich als selbstwirksam erleben und Handlungsspielräume spüren; Eltern geben einen Rahmen vor, aber die Kinder können ihn füllen.

Hier werden Kleinkinder, Wackelzahnpubertierende und auch Grundschulkinder angesprochen und in ihren Möglichkeiten gesehen. Die Autorin zeigt, wie das Regeln finden die Kinder insgesamt stärkt und handlungskompetenter für ihren Lebensweg macht. Denn Regeln sind nicht einfach harte Rahmenbedingungen – nein: gemeinsam gefunden sind sie ins Besondere auch Orientierung und Unterstützung.

Wenn wir als Eltern oder auch Pädagogen im beruflichen Feld so mit Kindern Regeln aufstellen, ihnen verdeutlichen wieso wir in bestimmten Fällen darauf solch einen Wert legen, mögen die Kinder kooperieren und wir alle profitieren davon.

Wenn Regeln nicht eingehalten werden, empfiehlt das Buch Gespräche statt Sanktionen (Strafen!) und bietet auch hierzu Anleitung. – Ja, es ist Arbeit! Mehr Aufwand als Macht durchzudrücken. Zeitlich und emotional.

Aber die Beziehungen bleiben gesund, und unsere Kinder werden stark.

 

Ein Gedanke zu „„Wackelzahnpubertät“ und Familienregeln

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