03 Okt

Angstmachen

„Schade, dass ihr mich nicht mehr liebt“, flüstert der 4jährige.

Wie er darauf komme, frage ich ihn und belehre ihn sofort eines besseren.

„Im Kindergarten haben die gesagt, 4jährige die weinen, hat keiner lieb“

@frolleindropje, Twitter

Was??

Twitter reagierte größtenteils sprachlos oder mitfühlend, teilweise aggressiv auf diese Schilderung einer kurzen Begebenheit aus einem Kindergartenkind-Leben. Mir fehlten auch erst die Worte. Dann kam die Wut. Dann: das Bedauern.

Ich habe nicht nur das Kind bedauert, das sich in diesem Moment sicher sehr unwohl und unsicher gefühlt hat, das Druck verspürte und vielleicht sowas wie Verlustangst – was ihm aber alles bestimmt genommen werden konnte, da er sich sofort traute, seinen Eltern davon zu erzählen, und diese ihn liebevoll auffangen und alles ganz gut aufklären konnten.

Es ist einfach da!

Nein, ich habe auch die Tatsache bedauert, die mir hier mal wieder bewusst wurde, wie oft wir Großen mit den Ängsten der Kinder spielen. Und das ist oftmals gar nicht boshaft gemeint. Es geschieht häufig nicht bewusst. Sogar Verzweiflung und Panik sind nicht jedes Mal der Grund dafür. Oft ist es einfach so etwas wie Gewohnheit. Sätze in unserem Kopf, die wir schon ewig kennen und einfach sagen. Wie „Guten Morgen!“ oder „Gesundheit!“, wie „Schönes Wetter heute!“ und „Ich mag es am Herbst, wenn ich zu Hause sitze und der Regen von außen an die Scheiben klopft.“

„Wer sich unpassend benimmt, wird nicht geliebt!“

„Wenn Du mich anstrengst (mit Deinem Geheule), mag ich Dich nicht mehr.“

„Wer sich nicht an die Regeln hält, verliert sein Recht auf Beziehung.“

„Wer seine Gefühle nicht immer brav im Griff hat, ist böse und wird isoliert.“

Das ist nicht was wir aussprechen, aber das steckt da drin. Derlei Sätze sind einfach da. Tief in unseren Köpfen. Und wenn wir uns manche nicht in ihrer vollen Bedeutung und Auswirkung bewusst machen, sondern sie einfach wieder und wieder in unterschiedlichen Spielarten verwenden und weitertragen, wird sich nichts ändern. Der heutigen und nachfolgenden Kindergenerationen wird Angst gemacht.

Neu sprechen!

Bindungsträumer wünschen sich ein Hinsehen, ein Einsehen, ein Ändern des Blickes auf kindliches Verhalten, ein Verändern unseres Sprechens und, wenn es uns doch passiert ist, ein ins Gespräch Gehen, sich Entschuldigen und ein Aufklären der Kinder.

Eltern haben ihr Kind im gesunden Normalfall immer lieb, egal was es tut. Natürlich! Kein typisches Fehlverhalten im altersgemäßen Entwicklungsprozess wird verursachen, dass unsere Liebe erlischt. Die Kinder üben, probieren sich aus, benötigen unsere Hilfe beim Zurechtkommen; der Weg ist holperig und hat viele Umwege. Dabei können sie uns verletzen, uns auf die Probe stellen, uns nerven, uns fordern, aber nicht unsere Bindung kaputt machen, nicht unsere Gefühle für sie abstellen. Und das sollten wir sie auch niemals glauben lassen.

„Das was Du getan hast, war nicht gut, weil…“

„Nächstes Mal könnte man es vielleicht so besser lösen…“

„Das was passiert ist, hat mich verletzt / gestresst / geärgert, da…“

„Ich hatte gerade eben selbst so wenig Kraft, um Dich zu trösten…“

„Zeig mir immer, wie Du Dich fühlst. Und sag mir auch, wenn ich mir im Stress nicht ausreichend Zeit nehme, Dich zu halten.“

„Wir finden gemeinsam eine Lösung, denn ich liebe Dich!“