Erinnerer – Kleine Alltagshelfer ohne Stress und Streit
Im Alltag mit unseren Kindern haben wir über die Jahre gemerkt, dass wir bestimmten Situationen, die immer wieder zu Konflikten oder unguten Gefühlen führen, eigentlich relativ einfach aus dem Weg gehen können, indem wir unseren Kindenr helfen, sie selbst in die Hand zu nehmen und eigenverantwortlich mit ihnen umzugehen. Wir müssen diese Fälle nur erkennen, besprechen und kleine Erinnerer finden, die die Kinder dabei unterstützen, ganz alleine das zu tun, was sie eigentlich auch gerne tun möchten – denn auch sie möchten Streit und Stress vermeiden und ihre Zeit lieber auf schöne Dinge verwenden.
Welches diese Situationen sind, ist in jeder Familie, bei jedem Kind anders. Hier wollen wir Anregungen sammeln, alphabetisch sortiert. Die Liste wird beständig ergänzt werden.
Gemeinsames Essen
Essen soll Spaß machen. Tischregeln sind einigen sehr wichtig, anderen nicht. Dürfen Finger benutzt werden, Messer abgeleckt, ist rülpsen okay, Hände am Hemd abputzen, schmatzen? Bis zu welchem Alter sagt man da nichts, gelten für alle irgendwann die gleichen Regeln? Das ist ein weites Feld.
In unserer Familie war es so, dass bestimmte Dinge immer wieder Thema wurden, als die Kinder langsam groß genug erschienen, um verschiedene Dinge zu beachten, die einigen am Tisch sonst unangenehm waren – doch das Immerwiederansprechen war genauso unangenehm. Die simple Lösung bestand in einer roten Heftklammer am jeweiligen Teller. Dieses „Erinnermich“ half erstaunlicherweise ab sofort, ohne die lustige Stimmung am Esstisch durchbrechen zu müssen, allen dabei, darauf zu achten, dass sich alle beim Essen wohl fühlen konnten. Es fiel in den Blick beim Essen und erinnerte jeden daran, Rücksicht zu nehmen auf das, was wir gemeinsam besprochen hatten, ohne Schimpfen, Meckern, Mosern. Und das Erinnern gilt für Groß und Klein!
Hausaufgaben
Unsere beiden jüngsten Kinder hatten Probleme damit, in der Gundschule daran zu denken, am Ende der Unterrichtszeit die Hausaufgaben aufzuschreiben. Essen, auf den Schulhof rennen, mit den Freunden quatschen – das erschien alles so viel wichtiger, so dass das Notieren gerne vergessen wurde, und sie nachmittags zu Hause saßen und oft nicht sicher waren, was zu tun war. Da das Beschaffen per Telefon über Klassenkameraden dank langer Betreuungszeiten der anderen nicht immer so einfach war, wurde das Problem für mich zunehmend nervender. Bei einem Einkaufsbummel kam ich auf die simple Lösung: ein Haus in Form eines Schlüsselanhängers. Die Kinder bekamen es an den Reißverschluss ihrer Mäppchen – und fortan dachten sie beim Schließen des selben tatsächlich fast immer ans Abschreiben der Aufgaben von der Tafel! So simpel.
Ebenfalls schlicht war die Hilfe beim größten Kind, dass sich nach dem Wechsel auf die weiterführende Schule entschieden hatte, die Hausaufgaben nicht mehr sofort am Tag des Aufbekommens zu erledigen, sondern immer erst am letztmöglichen Tag. Das erforderte eine genaue logistische Planung, die mit seinem Hausaufgabenheft nicht möglich war – aber easypeasy mit den heißgeliebten Klebezetteln. Ein großer klebt an seinem Platz am Esstisch. Jeden Mittag wird darauf geschrieben, für welches Fach etwas zu tun ist mit der Notiz dahinter, wann das Fach das nächste Mal unterrichtet wird. So kann er jeden Tag ablesen, was er für den nächsten Tag zu erledigen hat – und ich sehe es auch! Nichts geht mehr unter, und bei diesem System sind auch gut planbar ganz freie Tage möglich. Herrlich.
(Allgemein zum Thema Hausaufgaben und Entstressen kann ich noch empfehlen, aus den Gewohnheiten mal auszubrechen: manchmal gehen Hausuafgaben leichter von der Hand, wenn man den Nachmittag einfach mal frei genommen und im Wald verbracht hat und sich um 18:30 Uhr mit einem großen Glas Milchschaum und Keksen dransetzt.)
Teilen
Streit im Kinderzimmer – ein Spielzeug, und alle möchten es haben. Unsere Lösung ist ganz simpel: Sanduhren. Wir haben ein Set mit einer, fünf, zehn und fünzehn Minuten. Je nachdem, um was es geht, habe anfangs ich eine Sanduhr ausgewählt (inzwischen machen die Kinder das selbst); diese wird aufgestellt, einer spielt mit dem heißgeliebten Spielzeug. Nach abgelaufener Zeit ist der nächste dran, dreht die Uhr um usw.
Das klappt ertaunlich gut. Und: nach drei-, viermal umdrehen vergessen die Kinder in der Regel entweder, dass sie so wild auf die eine Sache waren, oder die Sanduhrumdreherei, und das Zankthema ist aus der Welt geschafft; sie befassen sich wieder mit anderen Dingen.
Inzwischen schleppen sie die Dinger auch selbst an, wenn sie etwas regeln wollen, zum Beispiel, wie das Abwechseln auf Schaukel und Trampolin gehandhabt werden soll.
Trockenwerden
In der Zeit des Trockenwerdens muss das Toilettefinden manchmal ganz schnell gehen. Nicht immer ist ein passendes Gebüsch in der Nähe, nicht immer ein geeignetes WC. Eine Lösung für derlei Situationen fanden wir zufällig beim Stöbern in einem Geschäft für Baby- und Kleinkinderartikel: ein sogenanntes Reisetöpfchen. Dies ist ein Toilettensitz in Kinderpogröße mit zwei langgezogenen Aufstellbeinen, die man einklappen kann, so dass es leicht in die Wickeltasche passt. In den Sitz kann man Zubehörtüten oder aber auch einfach schlichte und günstige 10 l Kosmetikmülleimerbeutel einhängen, um alles, was aus dem Kind kommt, aufzufangen und einfach zu entsorgen.
Unsere Kinder haben sich damit sehr wohl gefühlt. Das manchmal etwas unangenehme Thema, gerade wenn man unterwegs ist, konnte für sie so immer recht diskret und ohne Zwischenfälle erledigt werden, was ihnen sehr gut getan hat.
Eine genaue Beschreibung dieser guten Alltagshilfe findet Ihr hier.
Wut
Wut ist eine große Emotion! Damit richtig umgehen zu können, muss man erst lernen. Selbst wir Erwachsenen tun uns damit noch oft schwer. Wie sollen es da schon kleine Kinder können? Oft wissen sie gerade außerhalb der Familie nicht gut, wohin mit der Wut, und dann passiert es, dass andere Kinder gestoßen, getreten, gebissen werden. Trifft man auf Erwachsene, die sich mit der emotioalen Entwicklung von Kindern nicht gut auskennen, kann das zu sehr unschönen Momenten führen und zu absolut unmöglichen Erwartungshaltungen.
Dennoch können wir unseren Kindern ein bisschen helfen. Die Wut muss raus – natürlich! Aber vielleicht kann sie ein bisschen anders heraus. Nicht gegen andere Kinder, sondern vielleicht gegen Dinge, die nicht kaputt gehen können und denen es nicht weh tut.
Kinder brauche Worte für die Emotionen von uns, aber manchmal auch Platz und Gegenstände für ihre Kräfte, so dass sie ihre Wut irgendwo hineindrücken / -treten / -hauen können.
Bei uns gab es Wutstäbchen, die meine Tochter in der Hosentasche hatte. Das waren eigentlich kleine Trainingsstäbe für die Hände aus der Physiotherapie, die aussahen wie platt gedrückte Igelbälle. In der Vorschulzeit hatte sie immer eines davon in der Hose und holte es bei Bedarf heraus, später in der Grundschule nochmal eine Zeit lang. Es mag merkwürdig klingen, aber es hat ihr unheimlich gut geholfen!
Bei einem Mildikind hingegen gab es „Stulle“ dafür – eine aus LKW-Plane genähte, zauberhafte Maus, die mit einem Schlüsselanhänger am Gürtel befestigt wurde und so im Kindergarten oder auch sonst immer und überall dabei sein konnte.
Es kann auch etwas ganz anderes sein. Überlegt, was gut zu Eurem Kind passt, was gut mitzunehmen ist und nicht verloren werden kann. Ein kleiner Blitzableiter.
Zeit
Auch fürs Zeitverständnis kommen Sanduhren bei uns schon lange zum Einsatz. Sie visualisieren die verrinnende Zeit so gut. Wie lange soll ich mich an den Hausaufgaben versuchen? Wie lange hat Mama gebeten, ein bisschen Verschnaufpause zu haben heute mittag? Wie lange brauchen die Eltern, um das Baby in den Schlaf zu bringen und haben gebeten, dass ich alleine ein bisschen spiele? Wie lange haben wir ausgemacht, dass ich heute lesen übe? Wie lange darf mein Bruder noch am Tablet spielen, bis ich dran bin? Wie lange dauert es noch, bis Oma zu uns kommt?
Verschiedenste Situationen sind je nach Familie denkbar, die zeitlich abgestimmt werden oder auf die man wartet. Sanduhren sind perfekt, um die verrinende Zeit zu visualisieren. Manchmal liegen meine Kinder davor und schauen zu und warten und warten. Manchmal wird ihnen das langweilig und sie suchen sich daneben eine andere Beschäftigung, vergessen die Zeit und schauen erst später wieder hin, so dass sie gar nicht gemerkt haben, wie die Minuten verstrichen sind. Egal wie: es geht ihnen besser damit.
IH
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