31 Mrz

Gabi Kreslehner: „Nils geht“

„Druckwerke mit Herz…für Groß“ und „…für Klein“ haben wir als Blogkategorie. Erstmals kann ich heute keine auswählen, denn „Nils geht“ von Gabi Kreslehner lässt sich da nicht einsortieren. Eigentlich ist es ein Jugendbuch, aber ich habe es genauso gerne gelesen wie meine Tochter und finde es vor allem gerade für Eltern auch sehr wertvoll.

In diesem Buch vom österreichischen Typrolia-Verlag, das schon durch sein schlichtes, klares Cover auffällt, geht es um vieles: vordergründig um Täter und Opfer, Mobbing, Mitmachende, Schweigende, Wegseher. Tiefergehend dreht es sich in der Geschichte jedoch auch um Kommunikation, Beziehungen, Entwicklung, Herausforderungen, Freundschaften, Verliebtheit, Gefühle – und ebenso um Eltern, Lehrer und auch um Geld.

Woher kommt Gefühlskälte? Wieso fehlt Empathie? Wie entstehen Missverständnisse, klare Fronten und Aversionen?

Die Autorin hat viele Fragen in „Nils geht“ verarbeitet, und wir als Leser gehen mit ihr auf die Reise, um herauszufinden, was geschehen ist. Das Buch steigt sehr unvermittelt ein in Befragungen von Schülern, vermutlich durch eine psychologische Fachkraft. Es gibt immer wieder auch so betitelte „Cuts“ zwischen den Erzählbereichen. Erst nach und nach wird immer klarer, um was es geht.

Teil 1 – Was ist geschehen und wieso?

Im ersten Teil des Buches erfahren wir viel über Nils: Wer ist er, wieso ist er neu an der Privatschule, aber eigentlich auch nicht, was spielt alles mit hinein, dass er zum Opfer wird, und warum vertraut er sich keinem Erwachsenen an? Wer sind seine Mitschüler? Was motiviert sieht oder hält sie zurück? Wo sehen Lehrer weg und warum?

Erst geht es nur um Psychospielchen, Gruppendynamik und später schließlich um offene Gewalt. Das ist nicht ohne. Parallel bekommen die Erwachsenen langsam mit, was los war, und gehen sehr verschieden damit um. Alle Perspektiven werden aufgegriffen, und der Leser spürt die Schwierigkeiten, die Unsicherheiten sowie Empathie und Gefühlskälte nebenbeinander.

Meine 13-jährige Tochter konnte es gut lesen, aber hat auch sehr mitgefühlt. Als sie mir ihren Blick auf den Verlauf schilderte, spürte ich sehr, wie gut sie während der Lektüre verstanden hatte, wie Täter Täter und Ignoranten Ignoranten werden konnten. Sie kennt ähnliche Verläufe aus unserem Alltag, weil ich mal wegen Mobbing eine Schule wechseln musste, an der die Lehrer die Problematik nicht ernst nahmen, und weil es auch an ihrer eigenen Schule Täter und Opfer sowie Mobbing in unterschiedlichem Ausmaß gibt. Sie selbst hat einen sehr starken Rücken und kann gut hinter Fassaden schauen. Aber sie ist auch sensibel und empathisch. Darum hat sie das Lesen des Buches sehr gemocht, denn alle Handelnden werden durch ihr jeweiliges Tun sehr klar für den Leser, auch die „Bösen“. Die ganze Geschichte ist zu spüren. Verzweiflung. Das Buch bewegt.

Teil 2 – Nils ist weg

Im zweiten, etwas kürzeren Teil des Werks ist die Situation aus dem Ruder gelaufen, weil Nils kurz die Chance hatte, das Machtgefälle umzudrehen. Doch das ist nicht er selbst. Darum geht Nils! Und ist dann sehr mit sich allein. Er reflektiert, muss auch durchhalten und überleben und findet schließlich unerwartete Unterstützung, um auf einen Weg zu kommen, mit all dem Erlebten umzugehen.

Ja, das Lesen macht hier und da verzweifelt und traurig, manchmal sogar fassungslos. Man möchte ins Geschehen springen und den ein oder anderen rütteln. Die Emotionen fahren Achterbahn. Aber viele Momente und auch das Ende sind optimistisch.

Empfehlung

Wir Bindungsträumer möchten Euch das Buch ans Herz legen, weil durch all die Zeilen durchscheint, wie wichtig Beziehung ist, wie unabdingbar Nähe, Gespräche, Hinsehen und auch Mut sind. Lest das Buch, gebt es Euren älteren Kindern und Teenies und dann sprecht miteinander: Kennt Ihr solche Situationen? Wie fühlt sich das ein? Was kann man tun als Opfer, Danebensteher, Erwachsener? Warum sollte man bestimmte Schritt tun und wieso am besten gemeinsam?

Macht Euch stark, damit Euer Kind kein Mobbing erfährt oder bei anderen zulässt. Macht Euch stark, damit Ihr im Fall der Fälle wisst, wie zu verfahren ist. Fühlt mit – denn Mitgefühl ist immer und immer die Basis von allem.

 

Ein Gedanke zu „Gabi Kreslehner: „Nils geht“

  1. Pingback: Verlosung – Bücher, Bücher, Bücher | Inke Hummel

Kommentare sind geschlossen.