11 Jan

Sprache ist mächtig

„Wer hat wohl mehr Lust, sich zu engagieren? Der, den der Chef anbrüllt & niedermacht – oder der, mit dem sich der Chef hinsetzt & überlegt, was gut & schlecht gelaufen ist & was man wie ändern könnte? Und da schimpfst Du immer noch Dein Kind aus, im Glauben, dass das hilft?“

(Tweet von @hummelfamilie)

Dieser Tweet wurde von vielen so verstanden, wie er gemeint ist, aber etliche haben ihn auch diskutiert, und da der Inhalt uns Bindungsträumern wirklich wichtig ist, soll an dieser Stelle nochmal genauer darauf eingegangen werden.

Es geht in diesem Tweet NICHT darum, dass die Beziehung, die ein Arbeitgeber zu seinen Angestellten hat mit der von Eltern zu ihren Kindern verglichen wird. Natürlich nicht!

Es geht in diesem Tweet NICHT darum, dass Kinder simpel Erwachsenen gleichgesetzt werden. Selbstverständlich sollte beiden Gruppen – allen Menschen! – mit Respekt begegnet werden, aber natürlich ist auch klar, dass Kinder auf Grund ihres Entwicklungsstandes ziemlich häufig nicht wie Erwachsene agieren und auch nicht Entgegnungen wie Erwachsene benötigen, sondern durchaus mehr Hilfe, Regulation oder Anleitung (…wobei es auch viele Große gibt, die in ihrer emotionalen Entwicklung an einem Punkt stecken geblieben sind, der von einem kindlichen Verhalten nicht zu sehr entfernt ist… 😉).

Es geht in diesem Tweet NICHT darum, dass Bindungs- und Beziehungsorientierung perfekte Eltern erwartet, die nie brüllen, immer sachlich und liebevoll sind, sich stets zusammenreißen und perfekt lehrbuchmäßig mit ihren Kinden leben. – Natürlich nicht! Das ist ja DER Punkt im Attachment Parenting: sich selbst nicht vergessen, authentisch sein, miteinander wachsen, einander achten, bei sich bleiben, den Weg sehen – kein Ziel. Jeden Tag aufs Neue. Versuchen, gewaltfrei zu kommunizieren, sich zu stoppen beim Aufbrausen und nochmal neu hinzusehen, sich ggf. entschuldigen, später darüber reden, wenn Wut da war und endlich verflogen ist. Nicht: nie brüllen! Nicht: immer sofort die beste Lösung wissen! Schreien ist ja nicht „das Böse“, nur eben kein adäquates, geplant (!) genutztes Erziehungsmittel, bei dem man erwarten kann, dass alles gut wird. Wenn persönliche Grenzen überschritten werden – wie das nun mal oft der Fall ist auf dem klitzekleinen Raum, auf dem sich die Familie trifft, mit all‘ den explodierenden Emotionen – passiert das einfach, auf allen Seiten. Nur eine langanhaltenden, positiven Effekt darf man sich nicht erhoffen. Nebenbei sind Anbrüllen und Niedermachen auch nicht die exakt gleichen Dinge.

Viele auf Twitter waren ganz schnell dabei, „witzige“ Vergleiche zu ziehen, die das Gesagte ins Lächerliche ziehen sollten. Kinder mit Arbeitsverträgen. Angestellte mit mangelnder Emotionsregulation, wie ein Kleinkind. Das klang lustig und griffig, aber ging komplett an dem vorbei, was ich sagen wollte.

 

Um was ging es denn?

Mir ging es ganz simpel um KOMMUNIKATION. Darum alte Muster zu durchbrechen – es hat nicht der Recht, der am lautesten schreit; es ist nicht notwendig, mit jemandem, über den man sich geärgert hat, von dem man sich Veränderung wünscht, zu schimpfen, zu brüllen, ihn niederzumachen. Wir sind nicht bei der Wehrmacht! Wir wollen keine simplen Befehlsempfänger.

Klar, wäre es manchmal nett, dass etwas einfach mal gemacht wird, wenn ich es sage. Ohne Theater, ohne Diskussion, ohne Infragestellen! Aber:

je mehr ich meine Impulse kontrollieren kann und gerecht und zugewandt bleiben kann, je mehr Respekt ich zeige und Kompromisse ich möglich mache, je mehr Diskussionskultur ich fördere und alle teilhaben lasse, je mehr ich zeige, dass ich sehe, was alles ganz großartig läuft, je mehr ich wirklich erkläre und loswerde, je mehr ich in Beziehung gehe (!),

je weniger ich niedermache, meine Position ausnutze statt sie nur zu nutzen, je weniger ich manipulieren, bevormunden, drohen und belehren will, je weniger ich versuche, psychisch zu terrorisieren,

desto eher wird mein Gegenüber sich auch auf mich einlassen, nicht nur meine Vorwürfe sehen, sondern auch meine Bedürfnisse und Wünsche. Desto eher wird sich mein Gegenüber um Kompromisse bemühen, sich empathisch zeigen, versuchen zu erkennen, was ich brauche. Desto eher wird er wirklich meine Appelle hören und in sein handeln integrieren können.

Ein Aspekt der Kommunikation ist immer das Mitschwingende, der Beziehungsaspekt, das Emotionale: das sog. „was ich von Dir halte und wie ich zu dir stehe“. Und wenn ich die Liebe oder Zuneigung trotz der Vorwürfe oder spüre, dann kann ich mich einlassen auf diese Beziehung, auf das Gesagte, auch auf Forderungen und Stopps.

Wenn vielleicht auch Raum ist, dass ich mich äußern kann, erklären darf, meine Motivation erforschen und erläutern kann, dann wird die Kommunikation zum Miteinander UND GELINGT.

Natürlich muss man das abstrahieren nach den Fähigkeiten des Gegenübers: (Klein-)Kindern fehlt noch oft die Möglichkeit sich einzufühlen, die Fähigkeit sich zu regulieren. Aber es bleibt der sichere Boden, der da sein muss, das Gefühl, das stimmen muss, damit Botschaften ankomen, Appelle verstanden und umgesetzt, Gefühle nicht verletzt werden – damit die Beziehung gut bleibt.

Es ging mir schlichtweg um eine Grundeinstellung in der Kommunikation, nicht um ein tägliches Superman-Verhalten und Handeln. Bei aller Ehrlichkeit und aller persönlicher Not ist es ein gutes Ziel, die Grenzen des Gegenübers zu wahren, wenn ich ihn mit meiner Kommunikation erreichen will. Ehrliches Interesse und Verstehenwollen führt uns zu Lösungen – ganz allgemein betrachtet (nicht wenn gerade vor Müdigkeit das Marmeladenglas übermütig übers Sofa verteilt wurde).