Ergebnisse – wir wollen Ergebnisse sehen!
Du versuchst, Deinem Kind bedürfnisorientiert zu begegnen, und hast die Erwartung, dass Euer Alltag sich immer weiter entspannt, Ihr Euch gut versteht, Harmonie immer mehr bei Euch einzieht – aber das ist gar nicht so?! Wutanfälle, weil die Treppe zu lang ist, die Radtour zu kurz, die Limo zu gelb, die Hausaufgaben zu doof? Beißattacken, während Ihr eigentlich nur ein Buch lest oder Du das gewünschte Mittagessen kochst? Du wirst angeschrieen, während Du den bestellten Pulli am Reißverschluss schließt oder Ihr im Lieblingsschwimmbad seid?
Immer wieder begegnen mir Eltern, die dann frustriert sind. Natürlich!
Natürlich?
Der Punkt ist folgender: wir können die Kinder nicht ändern, ihre Entwicklung nicht beschleunigen, ihnen keine Sprache oder Empathie schenken, um sich verständlicher zu machen sowie uns besser zu verstehen, wenn sie noch nicht so weit sind. Wir können sie nicht mit gutem Gewissen verbiegen, so dass sie zu allem Ja und Amen sagen.
Aber wir können uns verändern.
Mit anderem Blick – Einzelergebnisse zählen nicht
Es geht nicht darum, immer perfekt zu handeln, immer perfekt ein Bedürfnis zu erkennen – denn das ist schlicht nicht möglich. Oft ja nicht mal bei Erwachsenen, obwohl die sich mitteilen können. Menschliches Miteinander ist einfach kompliziert. Manchmal weiß man doch selbst nicht genau, warum man sauer, traurig, überschwänglich fröhlich ist und was man nun braucht – wie soll es das Gegenüber dann wissen?
Ergebnisorientierung ist fehl am Platze. Die Frage „Lohnt sich Attachment Parenting?“ kann man stellen, aber nicht mit dem Hintergedanken „Bekomme ich eine Gegenleistung?“, „Erhalte ich eine Entschädigung für all‘ meine Mühen in Form von ‚keine Konflikte mehr‘?“, denn diese Sicht beinhaltet das Ziehen eines eher egoistischen Nutzens. Ich finde die Frage aber legitim, wenn man sie nicht „kapitalistisch“, nur auf sich und einzelne Handlungen bezogen sieht. Blickt man bei der Frage auf unsere Beziehungen zueinander und auf unsere Kinder ganz für sich, auf ihrem Lebensweg, so kann man doch durchaus fragen: Lohnt sich das?
Lohnt sich all‘ der Aufwand? Oder anders: Macht das alles Sinn? Stürzt nicht alles irgendwann ein? Kommt jemals ein Licht am Ende des Tunnels, am Ende so mancher Durststrecke, die wir Eltern fühlen? Kommt die Zeit, in der Anstrengung und Arbeit geringer werden und der Alltag endlich müheloser?
Ich höre diese Fragen nicht selten, kenne selbst die Zweifel, ob der Weg richtig ist, ich nicht zu viel rede, zu „weich“ bin, die Kinder „härter anpacken müsste“ für ihr eigenes Glück.
Wundersame Beziehungsarbeit
Hilfreich ist es eben, die eigene Einstellung zu verändern, die Blickwinkel, um die Frustration loszuwerden, Gelassenheit zu gewinnen und erkennen zu können, wie gut der eigene, bedürfnisorientierte Weg doch tatsächlich ist.
Beziehungen sind immer Arbeit und bleiben es, aber die „Ernte“ fahren wir ein: wie in unseren Liebesbeziehungen, in unseren Freundschaften, unseren Jobs lohnt sich der „Invest“. Wenn Eure Kinder erfahren, dass Ihr zuverläsig da seid, dass Ihr sie seht, Euch einfühlt, dass Ihr ihnen zeigt, wie man empathisch ist, erklärt wie es in Euch aussieht, dann werden sie Euch zeigen, wie großartig sie ihr ganz eigenes, wunderbares Wesen sozial, liebevoll, achtsam ausfüllen können.
Und schließlich werdet Ihr auch entdecken, wie oft Eure Kinder tatsächlich kooperieren, wie gut sie sich tatsächlich selbst in andere einfühlen. Und plötzlich läuft ganz vieles von alleine.
Es geht auch darum, wie Ihr Eure Kinder wahrnehmt, wie Ihr sie begleitet, dass Ihr versucht, Euch einzufühlen – nicht darum, dass das alles hoppalahopp in jeder Situation im gesellschaftlich erwünschten Sinne „funktioniert“! Sie werden nicht „dressiert“ sein; sie machen ihre Schritte, wenn sie soweit sind, von ganz alleine. Und ich kann Euch gar nicht sagen, was das für ein großartiges Gefühl ist. Da hat sich jede Mühe gelohnt, und plötzlich läuft alles von ganz alleine – getragen von der guten Beziehung.
Es ist an uns Eltern zu erkennen, dass der Punkt im Miteinander nicht ist, dass wir ein „Erziehungsziel“ oder einen Entwicklungsschitt erreichen, sondern dass der Punkt ist, dass wir gemeinsam auf einem Weg sind, immer weiter. Familiäres Miteinanderauskommen ist ein Prozess, den wir zusammen durchmachen. Immer „richtig reagieren“, den anderen „richtig verstehen“ geht nicht und ist nicht der Sinn. Es geht alleine darum, „wie wir miteinander umgehen“ (Zitat aus „Schlaf gut, Baby“).
Aber es kostet so viel Kraft
Eine Art evolutionäre Entwicklung, bei der es immer harmonischer wird, ist also nicht zu erwarten – oh Hilfe! Das ist ja doof. Und anstrengend.
Ja. Es ist anstrengend. Und das darf auch jeder sagen, sich aussprechen – und ggfs. für Hilfe sorgen. Aber wenn wir an uns arbeiten und versuchen, eben nicht darüber frustriert zu sein, wenn es „nicht klappt“, dann wird der gemeinsame Weg viel entspannter zu gehen sein. Der Punkt ist, dass wir es miteinander versuchen, immer wieder, jeden Tag neu. Auf Augenhöhe, respektvoll. Wir als begleitende Eltern, die einfühlsam führen, sich zeigen, konsistent und authentisch handeln. Nicht „perfekt“.
Es gibt diese eine konkrete, allgemeingültige und perfekte Handlungsanweisung und den entsprechenden Ablauf nicht. Es gibt auch kein RICHTIG. Bedürfnisorientiert und ernst nehmend ist nie gänzlich falsch. Alles Probieren und auch ehrliches „Ich weiß jetzt auch nicht weiter“-Sagen gehört zum Weg und macht Euch zu einem immer besseren Team – auch wenn der Prozess lange dauert, eigentlich sogar nie abgeschlossen ist.
Die Entscheidung für die bedürfnisorientierte Grundhaltung ist der Gewinn
Ich wünsche jedem bedürfnisorientiert agierenden Elternteil einen starken Rücken durch das Wissen um diesen Punkt und um kindliche Entwicklungsphasen und die vielen, möglichen Unebenheiten auf diesem Weg. Dann muss eigentlich niemand verzweifelt sein, dauerhaft Frust spüren, ans Aufgeben denken.
Die Frage ist nicht „Zeigt das irgendwann brauchbare Ergebnisse?“, sondern „Gäbe es eine Alternative zu unserer Grundhaltung?“ Nein, mit dem Herzen gesprochen gibt es die nicht! Also: weitermachen und durchatmen.
“ (…) Und vielleicht muss ich mein Verständnis von Erfolgserlebnis überarbeiten. Dass der Erfolg nicht darin besteht, dass J. ohne zu murren aus dem Karussell steigt, sondern dass sie irgendwann selber [Anm. der Autorin: dank unserer Begleitung] aus ihrem Zornkarussell finden kann. (…) „
(Zitat einer Mutter aus einer Familienberatung)
IH