30 Apr

Stillen als Bedürfnis?

Wenn wir über das Stillen sprechen, schwingt da immer auch ein Abschied mit. Auch die längste und schönste Stillzeit geht irgendwann mal zu Ende.

Wie so viele Stillende hatte auch ich ursprünglich die Vorstellung, ja den Anspruch an mich, meine Tochter so lange zu stillen, bis sie sich von selbst abstillt. Eines Tages würde ihr Bedürfnis gestillt sein (es heißt ja nicht umsonst so), und dann würde sie ohne mein Zutun und ohne Zetern und Klagen glücklich und zufrieden davon ablassen. Ein anderer Weg erschien mir nicht möglich. Das natürliche Abstillen dagegen, im natürlichen Abstillalter ausschließlich vom Kind ausgehend, war der heilige Gral.

Gerade in bindungsorientierten Kreisen begegnet uns diese Vorstellung sehr häufig.
„Gestillte Bedürfnisse verschwinden, ungestillte tauchen immer wieder auf“. 
Unter diesem Narrativ wird das Bedürfnis gestillt zu werden geradezu als lebensentscheidend angesehen.

Ja, unter meinen Kolleg:innen in der Stillberatung gibt es sogar welche, die ausdrücklich nicht zum Abstillen beraten. Das aktive Abstillen, also das nicht vom Kind ausgehende, wird gelegentlich sogar als Gewalt bezeichnet.

Doch ist das wirklich so?
Bleibt bei Kindern, die aktiv abgestillt werden, anschließend ein ungestilltes Bedürfnis zurück, das den Rest ihres Lebens immer wieder aufploppt und ein Gefühl der Leere und der Unvollkommenheit verursacht? Das grundsätzlich dazu führt, dass ungesunden Ablenkungs- und Bewältigungsstrategien Tür und Tor geöffnet wird? Gibt es wirklich nur diesen einen Weg, wenn man sein Kind bindungs- und bedürfnisorientiert begleiten möchte?

Das wäre furchtbar!
Das hieße ja, dass sämtliche aktiv abgestillten Kinder ungestillte Bedürfnisse hätten. Und die formulaernährten Kinder erst, die wären dann allesamt rettungslos verloren!

Die gute Nachricht ist: Stillen ist überhaupt kein Bedürfnis.

Stillen ist eine super Strategie, um alle möglichen Bedürfnisse auf einen Schlag zu stillen: Hunger, Durst, Beruhigung, Nähe, Körperkontakt, Sicherheit, Bindung…all das sind echte Bedürfnisse und bei all denen hilft Stillen.

Aber nicht ausschließlich, denn all diese Bedürfnisse kann man auch anders erfüllen und das Stillen von vornherein oder nach und nach damit ersetzen. Pre-Fläschchen oder Käsebrot, Wasser, Kuscheln, Tragen, Kuscheltier oder Schnuffeltuch…für alles gibt es eine Alternative. Natürlich wird das Kind kaum ohne jeglichen Protest darauf reagieren, aber das ist okay! Solange es in seinen Bedürfnissen gesehen und begleitet wird, wird es keinen Schaden nehmen.

Damit will ich in keiner Weise die vielen positiven Aspekte des (langen) Stillens schmälern.

Aber wer wahrnimmt, dass die eigenen Bedürfnisse zu kurz kommen und sich durch das Stillen belastet fühlt, soll auch kein schlechtes Gewissen haben müssen, wenn er/sie einen anderen Weg geht. Deshalb ist man nicht weniger bindungsorientiert.

Ich habe damals sehr lange mit mir gerungen, als ich nach über dreijähriger Stillzeit nicht mehr wollte. Viele Wochen habe ich gebraucht, bis ich mich dazu durchringen konnte, meine Tochter aktiv abzustillen.

Ich hatte das Gefühl, zu versagen.

Ich hatte Angst, meine Sache als Mutter nicht gut genug zu machen, und in der „AP-Szene“ dafür an den Pranger gestellt zu werden.

Nach drei Jahren und neun Monaten war ich dann so weit. Und am Ende war es ganz leicht.

10 Mrz

Wozu der ganze Aufwand?

Es ist oftmals anstrengend und verlangt uns Eltern viel ab, unseren Kindern auf Augenhöhe zu begegnen, ihre Grenzen zu wahren und ihren Willen ernst zu nehmen. Sich den ganzen Tag zu fragen: „Was will mir mein Kind sagen? Welches Bedürfnis steckt dahinter? Und wie bekomme ich die Bedürfnisse aller unter einen Hut?“ und dann entsprechend zu handeln, zu begleiten und aufzufangen- das zehrt!
Zumal wir selbst oft nicht so aufgewachsen sind und sehr an uns arbeiten müssen, um nicht in alte Muster zu verfallen, Machtkämpfe auszutragen und die Integrität unser Kinder möglichst nicht zu verletzen. Und immer mal wieder gelingt es uns doch nicht und wir halten uns für schlechte Eltern und könnten schier verzweifeln.

Und am nächsten Tag strengen wir uns wieder an.

Wozu nur dieser ganze Aufwand?

Ich musste vor ein paar Jahren operiert werden. Da ich zu diesem Zeitpunkt noch stillte, entschied ich mich für eine Rückenmarksnarkose und gegen ein Beruhigungsmittel.

Ich bekam also alles mit und das allein ist bei so gynäkologischen Geschichten ja schon eher unschön.

Die Anästhesistin war zwischenzeitlich nicht an ihrem Platz und merkte nicht, dass die Spinale nicht richtig saß. Die Operateure hinter dem Tuch bekamen auch nichts davon mit, dass das Herumstochern in meinem Bauch höllisch weh tat. Und ich war nicht in der Lage, etwas zu sagen.

Ich konnte nicht.

Ich lag da, mit unfassbaren Schmerzen, und war nicht in der Lage, auf mich aufmerksam zu machen. Ich konnte nur so daliegen und leise weinen und aushalten und hoffen, dass es irgendwann jemand merkt und mir hilft.

 

Für sich selbst sorgen zu können, für sich und andere einzustehen, Selbstwirksamkeit zu erfahren, mitfühlen zu können. Den Mund rechtzeitig aufzumachen und zu sagen „Stopp!“

Darum.

08 Mrz

Béa Beste und Stephanie Jansen – „Gemeinsam schlau statt einsam büffeln“

Als Béa Ihr Buch ankündigte und ich nur das Cover überflogen habe, dachte ich „Gemeinsam schlau statt einsam büffeln“ (Duden Verlag), sei eine Hilfe dafür, wie Eltern ihre Kinder bei Hausaufgaben, Lernen, Vertiefen – kurz: beim Thema Schule – unterstützen können.  Vielleicht würde auch noch etwas darüber drin stehen, wie viel besser Kinder für die Schule lernen können, wenn sie merken, dass ihre Eltern sich für Inhalte ebenfalls interessieren, oder aber wenn die Eltern ihnen zeigen, wo man die schulischen Inhalte tatsächlich anwenden kann.

Dann kam das Buch. Ich wunderte mich sofort darüber, wie dick es ist, wie umfangreich! Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man so viel zum Thema Hausaufgabenbegleitung u.ä. schreiben könnte.

Sehr neugierig begann ich zu lesen, blätterte mal hier hin und mal dorthin und merkte nach den ersten Einblicken: das Buch ist genau gar kein Buch, dass mir primär sagen möchte, wie ich mein Kind gut bei den von der Schule gestellten Hausaufgaben begleite!

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21 Feb

Anne Sophie Winkelmann „Machtgeschichten“

Wenn Ihr vielleicht schon „Erziehung prägt Gesinnung“ von Herbert Renz-Polster gelesen habt und nun fokussiert „Kindheiten wagen“ möchtet, und wenn eventuell auch noch „Seelenprügel“ von Anke Elisabeth Ballmann eine Eurer letzten Lektüren war, dann ist Euer Blick gerade vermutlich sehr darauf gerichtet, Eure Kinder zu stärken: für eine gute Zukunft, für einen Weg als mitfühlende Menschen, gegen psychische Gewalt in Institutionen oder anderen Umgebungen. Ich empfehle Euch – mit oder ohne Kenntnis der o.g. Bücher – hier unbedingt die „Machtgeschichten. Ein Buch für Kinder über das Leben mit Ewachsenen“ von Anne Sophie Winkelmann (erschienen im claus Verlag). Die Autorin Anne Sophie Winkelmann möchte Eltern und pädagogisches Personal erreichen sowie auch die Kinder selbst, und sie zeigt sehr wertschätzend und ohne erhobenen Zeigefinger sowie mit viel Verständnis für die Erwachsenen, wo überall Kinder eben immer noch psychischer Gewalt und ungleichwürdigem Umgang ausgesetzt sind (oft unbewusst und manchmal auch ungewollt).

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27 Nov

KON•SE•QUEN•ZEN

Wie oft wabert der Begriff „Konsequenzen“ durch Diskussionen rund um Erziehung, Kinder und Strafen. Warum wir Strafen für absolut schädlich in guten Eltern-Kind-Beziehungen halten, haben wir hier bereits erklärt. Aber was meint nun „Konsequenzen“ – und kann das was sein, was okay ist?

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13 Sep

Eingewöhnen – zack, zack!

In Gesprächen oder Beratungen rund um das Thema Eingewöhnung finde ich es auffällig, dass immer wieder klare und sehr kurze Zeiträume angegeben werden, die für die Zeit des Ankommens eines Kindes in der neuen Umgebung vorgesehen sind. Fragt man nach, liegt das oft an äußeren Bedingungen: Aufnahme in den Einrichtungen nur zu bestimmten Zeiten, viele Kinder auf einmal, Elternzeit-Ende kurz darauf, wartende Arbeitgeber, finanzieller Druck… Manche Erzieher haben mir gesagt, das sei das, was die meisten Eltern als Entlastung hören wollten; andere erzählten, mehr Raum sei in ihrem Kindergarten auch gar nicht, weil in den heißen Phasen ständig neue Kinder kommen und jeder ja den intensiven Kontakt zu einem Bezugserzieher brauche.

Aus bindungstheoretischer und aus Kindersicht tut das alles ziemlich weh, und es ist wunderschön, wenn es anders läuft / laufen kann. „Bei uns ist immer das Kind der Chef!“ war die Aussage einer Kita-Leitung, die mich sehr gefreut hat.

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23 Jun

Unerzogenes Leben – Selbstaufgabe?

Sind „unerzogen“, „nicht erziehen sondern das Kind begleiten“, und auch „Attachment Parenting“ wirklich einfach mit Chaos gleichzusetzen? Mit Selbstaufgabe der Eltern? Und schaffen sie die „Tyrannen“ von Morgen?

Wenn Dein Kind auf dem Sofa springt, und es ist okay für Dich (Hey, das ist eh oll. Oder hält es gut aus.), wenn Dein Kind mit Fingerfarbe auf die Wände malt, und es ist okay für Dich (Bunt ist schön!), wenn Dein Kind das Auto mit Sand aus seinem Schuh vollkippt, und es ist okay für Dich (Saugen wir nächstes Mal raus. Stört keinen!) – dann

  • kannst Du es ruhig so zulassen,
  • dann kannst Du das Kind es selbst sein lassen,
  • dann hat es genug Wurzeln bekommen, um sich frei für solche Wege entscheiden zu können,
  • dann bekommt es von Dir Begleitung und vor allem Flügel, m seinen Weg zu gehen,
  • dann stehst Du größer, liebevoll, weiser daneben, hast Dir alles gut überlegt und Ihr seid in guter Verbindung.

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27 Mai

Familiensonntage

Sonntag ist bei uns, wenn jeder macht, was er will.
Für mich bedeutete das gestern, vier Stunden lang den Garten auf Vordermann zu bringen. Das kleine Mildikind war immer mal mit draußen, half mal bei ihrem eigenen Beet mit, suchte mal nach den Überresten einer im vergangenen Jahr beerdigten Maus, saß mal vor dem Fernseher, kehrte mal die Terrasse. Ganz so, wie es ihr in den Sinn kam.
Manchmal unternehmen wir auch etwas am Wochenende, aber das entsteht spontan, je nach Laune und Wetter. Der Große ist eh froh, wenn er keine Verpflichtungen hat wie beim Papa und in der Schule, und bleibt am liebsten zuhause.

In meiner Kindheit waren vor allem die Sonntage immer Zwangsveranstaltungen. Gemeinsame Spaziergänge, gemeinsames Hof kehren und Laub rechen, gemeinsame Mahlzeiten. Dabei war da aber gar nichts mit Gemeinsam im Sinne von Miteinander, von Augenhöhe, von Kompromissen, von Lösungen finden. Der Vater wollte am Sonntag das nachholen, was er die restliche Woche versäumt hatte und schaffte es doch nie, schon gar nicht emotional, die Mutter legte sowieso immer deutlich mehr Wert auf Leistung als auf Bedürfnisse. Die Eltern bestimmten und wenn, wie so oft am Wochenende, der Haussegen schief hing, bestimmten sie indirekt auch was passierte, weil sie dann stundenlang brüllten oder schwiegen und wir Kinder uns selbst überlassen waren.

Als mein großes Mildikind noch ein Baby war, dachte ich noch, ich müsse mein Kind nur nicht schlagen, dann wäre ich schon eine gute Mutter. Wie viel da sonst noch dranhängt, was Kinder emotional noch alles brauchen, um glücklich groß zu werden, davon hatte ich damals noch keine Ahnung. Erst beim zweiten Kind landete ich dann auf dem bindungsorientierten Weg, las ein Buch nach dem anderen und wurde immer trauriger ob all dem, was mir selbst alles verwehrt blieb und was damals, abgesehen von der physischen Gewalt, sonst noch alles schief lief.

Dass die Kinder und ich so entspannte, verbindende Familiensonntage haben, ist das Ergebnis von jahrelangem Austausch mit Therapeuten, Freunden, Gleichgesinnten, von Selbstreflexion, Auseinandersetzung mit dem inneren Kind, Literatur, Fortbildung, von Anschauen und Loslassen.

Es ist Arbeit, viel Arbeit. Und es lohnt sich.

09 Mai

Wenn der große schwarze Vogel kommt

Wenn der große schwarze Vogel kommt, erdrückt er langsam, aber unausweichlich alles was er kriegen kann.
Er sitzt auf meiner Brust, schwer wie ein Felsbrocken. Eingeladen hat ihn die Angst, meine Angst, die mich schon mein ganzes Leben lang begleitet.

Diesmal bleibt er so hartnäckig und lange sitzen, eigentlich ist er seit Monaten schon da, fliegt nur manchmal kurz weg, lässt mich Luft holen und macht sich dann wieder breit, schwerer als je zuvor.

Und dann möchte ich mich verkriechen, nichts mehr machen müssen und mache auch kaum noch etwas. Habe keine Kraft mehr für die banalsten Dinge, Termine vereinbaren, Rechnungen bezahlen, Rechnungen erstellen, Nachrichten beantworten, Kurse planen, alles Dinge die ganz einfach sind, die wichtig sind, die mir im Grunde auch leicht von der Hand gehen, wenn ich mich dazu aufraffen kann. Aber ich schaue nur blöde auf den Rechner und auf den Stapel Papiere daneben und schaffe es nicht, ich schaffe es einfach nicht und boykottiere mich damit selbst.

Es ist ein Gefühl wie dieser Moment, wenn man fast weint, aber eben nur fast, und das die ganze Zeit.
Es ist ein immer wiederkehrendes Aufraffen, ein Weitermachen, ein endloses Aneinanderreihen von Tagen, ein Aushalten, ein Warten.

Jede Zeile fällt schwer, jedes Wort, den Stift zu halten und zu bewegen fällt schwer, und doch, heute gelingt es. Heute ist ein guter Tag, deshalb.
Heute kann ich diesen Text schreiben.
Und mich zeigen.

06 Jan

„Waren wir wieder zu laut, Mama?“

Eine dauerhafte Erkrankung ist für niemanden schön, weder für den Kranken, noch für die Angehörigen – aber eine besondere Herausforderung ist sie für Kinder, wenn ein Elternteil betroffen ist.

Ich habe drei Kinder und leide seit etwa 22 Jahren an starker episodischer Migräne. Am Ende der Pubertät fing es an, diffus, stark, häufig, fast jeden zweiten Tag.

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